Blickpunkt:Film

Blickpunkt:Film: "Wambo" ist kein bayerisches Folklorestück geworden, sondern hat die Stärke einer dramatischen und menschlich tragischen Geschichte.


Jo Baier: Das war das Konzept, zumal der Film von SAT. 1 finanziert worden ist. Gleichzeitig muss ich aber betonen, dass mir niemand hineingeredet hat, auch nicht in die Besetzung.


BF: Auch ihr Produzent  nicht?


JB: Helmut Dietl sowieso nicht - obwohl ich erstaunt war, denn es war unsere erste Zusammenarbeit. Vom Drehbuchschreiben bis Drehende hat er sich nicht eingemischt. Natürlich war er immer da, wenn ich ihn gebraucht habe.


BF: Sie haben auch die Besetzung allein entschieden?


JB:Ja. Jürgen Tarrach in der Hauptrolle war sehr schnell für mich die Wahl, weil ich für diese Rolle eine Person haben wollte, die immer und in allen Phasen, auch dort, wo sie unangenehm ist, eine Verletzbarkeit spürbar macht. Ein Leidender, der das auch ausdrücken kann in seiner Haltung, seiner Körperlichkeit. Selbst da, wo es degoutant sein könnte, bewahrt Tarrach immer eine gewisse Würde.


BF: Wie haben Sie es geschafft, ihn dorthin zu bringen?


JB: Sich in diese Figur einzubringen war ganz sicher ein langer, schwieriger Prozess für Jürgen Tarrach. Das haben wir gemeinsam angeschoben. Sechs Wochen vor Drehbeginn kam er nach München, und wir haben täglich geprobt, wie am Theater. Das hatte ich noch nie bei einem Film. Er spricht auch nicht dieses typische "Friseur-Bayerisch", das Helmut Dietl anfangs am liebsten gehabt hätte.


BF: Sie haben selbst nie mit Walter Sedlmayr gearbeitet, standen ihm eher skeptisch gegenüber. Warum haben Sie Ja gesagt, als Helmut Dietls Angebot kam?


JB: Vielleicht ist das eine gute Voraussetzung, weil man einen gewissen Abstand zu dieser Figur hat und zögerlich, vorsichtig an sie herangeht, nicht betriebsblind ist. Sedlmayr - da denkt man sofort an eine Kolportagegeschichte, Mord und einige Sauereien. Dietl als Auftraggeber bedeutete für mich aber auch so eine gewisse Garantie, dass das nicht so platt werden muss. Seine Idee war: Man müsste diesem Menschen Gerechtigkeit widerfahren lassen, weil das nicht geschehen ist im Zusammenhang mit diesem grausamen Mord.


BF: Stimmt es, dass es Ressentiments bezüglich der Drehorte in Münchner Brauereien gab?


JB: Ja, da hatten wir ein großes Problem. Die Paulaner-Brauerei war erstaunlicherweise sehr kooperativ. Wir haben vor dem Nockherberg außen gedreht, wo nach dem Brand die Fassade ja noch stand. Die Innenaufnahmen wollten wir im Augustinerkeller in der Arnulfstraße machen, hatten auch schon die Zusagen vom Pächter - aber dann hat die Brauerei den Dreh strikt verboten, ohne nähere Begründung. Wir mussten nach Schliersee ausweichen.


BF: Waren Sie mit den Arbeitskonditionen bei SAT. 1 zufrieden? Waren Drehzeit und Budget ausreichend?


JB: Ich hatte 37 Drehtage, das ist natürlich weniger als bei einem Kinofilm, aber ich bin gut damit ausgekommen. Sonst bewegt sich die Drehzeit eines TV-Films bei unter 30 Tagen. Die Höhe des Budgets kenne ich nicht genau, denke aber, dass es doppelt so hoch ist wie bei einem normalen Fernsehfilm.


BF: Findet diese erste Zusammenarbeit mit einem Privatsender eine Fortsetzung?


JB: Es gibt den Wunsch von SAT.1, da weiterzumachen, auch in dieser Kombination mit Helmut Dietl. Dem kann ich mich schwer widersetzen, weil ich sagen muss, dass "Wambo" die bisher schönste Arbeit mit einem Produzenten und die unproblematischste mit einem Sender war. Dietl hat dort natürlich ein gewisses Standing. Das Ganze lief direkt über Fred Kogel, der von dem Drehbuch sofort begeistert war. Wenn das in dieser Kombination wieder möglich ist, mache ich das gern.


BF: Gibt es ein neues Projekt?


JB: Ich entwickle gerade ein Spielfilmprojekt mit Kinowelt und hoffe, dass das was wird: Oskar Maria Grafs große Autobiografie "Wir sind Gefangene". Ein ziemlich abenteuerliches wildes Leben in der Schwabinger Bohème zur Zeit der Münchner Räterepublik, Graf selbst als Revolutionär und Kriegsverweigerer. Und Überlegungen von Seiten Dietls und SAT.1 gibt es, doch da ist noch nichts spruchreif.

Regisseur Jo Baier zum SAT.1-Drama "Wambo'