Blickpunkt:Film

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VideoWoche: Verstehen Sie, dass Händler frustriert sind, nachdem sie auf einem Flohmarkt verdächtige Vorgänge beobachtet und daraufhin sogar die [GVU](/company/gvu-gesellschaft-zur-verfolgung-von-urheberrechtsverletzungen-ev) informiert hatten, aber wochenlang kein GVU-Ermittler zu sehen ist?


[Bodo Schwartz](/person/bodo-schwartz): Die Ungeduld des Handels ist bei den derzeitigen Umsatzeinbrüchen verständlich. Außerdem hatten wir 15 Jahre lang keine Kinopiraterie. Leicht übersehen wird aber, dass wir in einem Rechtsstaat leben und demzufolge auch die GVU einige Spielregeln einhalten muss. Das betrifft in erster Linie die Beweislage. Bei Flohmärkten bedeutet dies, dass jemand Testkäufe illegaler Ware tätigen, Namen und Autokennzeichen feststellen und schließlich bei der zuständigen Polizeidienststelle vorstellig werden und einen Strafantrag stellen muss, damit Durchsuchungen, Verhaftungen etc. durchgeführt werden können. Da Flohmärkte vor allem an Wochenenden betrieben werden, ist es gar nicht so einfach, zu ermöglichen, dass mindestens 20 Polizisten für eine Razzia abgestellt werden. Da die GVU keine Polizeigewalt hat, geht ohne die Unterstützung durch örtliche Polizeidienststellen gar nichts. Insgesamt sind das alles Vorgänge, die oft wochenlang dauern.


VW: Trotzdem bleibt der Eindruck, dass die GVU schlicht überfordert ist.

BS: Unter dem derzeitigen Leidensdruck des Handels besteht die Erwartungshaltung, dass die GVU als eine Art Überfallkommando jederzeit an allen Orten dem Raubkopierwesen ein Ende bereitet. Das ist aufgrund der personellen Situation natürlich nicht die Realität. Derzeit verfügt die GVU über zehn Ermittler für das gesamte Bundesgebiet. Mehr lässt ein Jahresetat von zwei Millionen Euro nicht zu. Gemessen an der Gesamtproblematik, ist das sicher zu wenig. Deswegen ist es gut, dass mit Geldern der [FFA](/company/ffa-filmfoerderungsanstalt), des Handels und des [IVD](/company/ivd-interessenverband-des-video-und-medienfachhandels) demnächst ehemalige Polizisten rekrutiert werden können, die insbesondere auf Flohmärkten tätig werden sollen. Wenn Überforderung auf die Kompetenz der GVU in Sachen Urheberrechtsverletzungen abzielt, müsste ich dies energisch bestreiten. Das gilt auch für Pirateriedelikte im digitalen Zeitalter. Jeder Ermittler ist bestens ausgerüstet und in der Lage, beispielsweise im Internet zu recherchieren.


VW: Halten Sie die in Aussicht gestellten Exbeamten - pensionierte Polizisten - für ein wirkungsvolles Mittel?

BS: Für den Teilbereich Flohmärkte und Sammlerbörsen sicherlich. Vor allem haben Kontrollen eine abschreckende Wirkung. Ihr Vorteil ist, dass sie aufgrund ihrer jahrelangen Praxis nicht erst lernen müssen, wie man einen Strafantrag stellt. Zudem kennen Sie noch viele im Dienst befindliche Kollegen. Was sie lernen müssen, sind die juristischen Details der Urheberrechts. Man muss von der Vorstellung wegkommen, dass es sich um gebrechliche Menschen handelt, die ihre Rente aufbessern wollen. Es sind Leute, die zum Teil noch vor dem 60. Lebensjahr in Pension gegangen sind und sich zu jung fühlen, um den ganzen Tag am See zu angeln. Wir sind dabei, sie zu rekrutieren.


VW: Müsste die Polizei selbst nicht viel mehr gegen Formen von Urheberrechtsverletzungen vorgehen?

BS: Urheberrechtsverletzungen stehen nun einmal qualitativ nicht auf einer Stufe mit Entführungen, Kindesmord und Banküberfällen. Daraus kann man der Polizei keinen Vorwurf machen, die sich in der Öffentlichkeit ständig dafür rechtfertigen muss, nicht mehr gegen Drogendealer oder andere Schwerkriminelle zu unternehmen. Von daher ist es auch unser aller Aufgabe, dem gewerblichen Raubkopieren die Aura des Kavalierdelikts zu nehmen. Der Kampf gegen Piraterie fängt im persönlichen Gespräch an.



VW: Können Sie kurz skizzieren, was die Ermittler allgemein leisten müssen?

BS: Die GVU Mitarbeiter sind drei Bereichen zugeteilt: Ermittlungsdienst, Rechtsabteilung und Forensische Abteilung. Zunächst muss aufgrund der Ermittlungen eine hieb- und stichfeste Beweislage geschaffen werden, um einen Strafantrag stellen zu können. Durch eidesstattliche Versicherungen oder andere Belege müssen Polizei und Staatsanwaltschaft überzeugt werden, dass eine Durchsuchung angemessen ist. Um eine rechtskräftige Beweislage zu schaffen, sind oft monatelange verdeckte Ermittlungen erforderlich. Danach treten GVU-Ermittler vor allem als Sachverständige auf. Während der Razzia und danach. Für Gerichtsverfahren müssen technische Gutachten geschrieben werden, oder die Ermittler treten selbst in den Zeugenstand. Jeder Schritt ist sehr aufwendig und mit viel administrativer Arbeit verbunden. Aus all dem ergibt sich oft ein zwölf- bis 16-stündiger Arbeitstag.
Neben dem Ermittlungsdienst gibt es noch die Rechtsabteilung, die umfangreiche Datenbanken über Filmrechte und Tatverdächtige führt, Strafanträge stellt und nacharbeitet.
Außerdem werden noch jährlich 15 bis 20 Schulungen zu Urheberrechtsverletzungen bei Polizeidienststellen durchgeführt.


VW: Öffentlichkeitsarbeit war in der Vergangenheit nicht die Stärke der GVU. Müsste ihr nicht an einem hohen Bekanntheitsgrad gelegen sein?

BS: Zu Zeiten von VHS-Raubkopien war dies nicht zwingend notwendig. Inzwischen verfolgen wir eine andere Strategie, was sich darin niedergeschlagen hat, dass der Posten Public Relations geschaffen wurde. Der Anspruch, über aktuelle Erfolge ausführlich zu berichten und gleichzeitig aus ermittlungstaktischen Gründen nicht alle Details preiszugeben, ist ein schmaler Grad. Er ist so schmal, weil sich bei Durchsuchungen in der Regel oft weitere Erkenntnisse ergeben. Es findet sich eine Spur in Bayern, die über NRW nach Berlin oder umgekehrt führt. Das Auswerten von Computerdateien oder anderer Belege dauert ebenfalls seine Zeit. Es wäre also töricht, zu viele Details bekannt zu geben, so lange die Spur noch heiß ist. Gleichzeitig sind Presseberichte ein Mittel der Pirateriebekämpfung. Wenn ein Zeitungsleser erfährt, dass in seinem Nachbardorf jemand aufgeflogen ist, wird er vielleicht vorsichtiger. Ich bin kein Gegner von Kampagnen, die auf eine Änderung des Unrechtsbewusstsein abzielen, aber der erhobene moralische Zeigefinger wird nur sehr bedingt und langfristig etwas ändern. Aber Presseberichte, die die Botschaft vermitteln, dass sich künftig niemand sicher fühlen kann, der gebranntes Material am Arbeitsplatz oder anderswo verkauft, werden langfristig ein anderes psychologisches Klima erzeugen, ohne dass sich der gewöhnliche Internet-User kriminalisiert fühlt.


VW: Ihr Motto wäre also Abschreckung statt Belehrung?

BS: Beides ist wichtig, aber ich halte die Strafverfolgung für das Werkzeug mit der abschreckenderen Wirkung. Autofahrer halten sich doch nicht aus Vernunftsgründen an Geschwindigkeitsbegrenzungen, sondern weil sie hinter dem nächsten Baum eine Radarfalle vermuten.


VW: Der zuletzt bekannt gewordene Fall betraf ein großes Automobilwerk in NRW. In einer "normalen" Pressemeldung hätte der Name des Unternehmens gestanden. Warum verschweigt die GVU diese Information?

BS: Die Unternehmensleitung hat sich sehr kooperativ gezeigt. Übrigens aus Eigeninteresse, denn sie war nicht erfreut darüber, dass Mitarbeiter sich während ihrer Arbeitszeit mit Dingen beschäftigen, die nichts mit ihrer eigentlichen Arbeit zu tun haben. Innerhalb einer Firma zu ermitteln, ist extrem schwierig. Sie können nicht einfach ins Werk spazieren und die Schubladen durchsuchen. Es brauchte also die Unterstützung des Hausherrn. Im Gegenzug sollte der Firmenname in der Öffentlichkeit nicht genannt werden, weil ein solches Unternehmen natürlich einen Imageschaden befürchtet. Eine gewisse "Geheimniskrämerei" wird die GVU nie ablegen können. Aber ist das bei der Kriminalpolizei anders? Monate- oder sogar jahrelang hören wir nichts von den Ermittlungen bei großen Kriminalfällen, bis eines Tages der Hauptverantwortliche in Argentinien verhaftet wird, aufgespürt von einem BKA-Profiler. Im kleineren Stil ist das bei der GVU auch nicht anders.


VW: Wie definiert die GVU die aktuelle Problemlage?

BS: Kurz gesagt, geht es um drei Problemkreise: 1. Quellen ausfindig machen, 2.Vertriebswege lahm legen und 3. Internetdownloads verhindern. Ersteres ist die schwierigere Aufgabe: Wie kommt es, dass Filme vor oder kurz nach Kinostart im Netz geladen und anschließend gebrannt werden können? Das Bildmaterial beziehen Raubkopierer aus den USA, woran wir in Deutschland nicht viel ändern können. Entscheidend ist die deutsche Tonspur, die hochgerüstete Profis problemlos mit dem Bild zusammenfügen. Dafür kann es viele Quellen geben, aber unsere bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass am ehesten Kinovorführer für die Weitergabe in Frage kommen. Damit will ich keinesfalls die Kinobranche an den Pranger stellen. Wir arbeiten mit der Kinobranche an dieser Problematik. Die zweite Hauptaufgabe ist wie in der Vergangenheit das Unterbinden des gewerblichen Handels mit Raubkopien, also die Weitergabe der physisch vorhandenen Produkte. Das ist vergleichsweise der einfachere Job, weil sich die Verkäufer in der Öffentlichkeit zeigen müssen, sei es auf dem Flohmarkt oder am Arbeitsplatz. In diesem Moment besteht ein Entdeckungsrisiko, das wir ausnutzen können. Dieser 'Markt' hat übrigens enorm zugenommen und richtet auch den größten Schaden an. Es ist wesentlich einfacher, eine Raubkopie für acht bis zehn Euro zu kaufen und dann zu kopieren, als einen Download zu machen.


VW: Kann man Ihrer Erkenntnis nach gezielt gegen P2P-Netzwerke vorgehen, und ist es realistisch an IP-Adressen heranzukommen?

BS: Der Bereich Internetdownloads in den P2P-Domains ist durch die derzeitigen Datenschutzgesetze nur sehr schwer zu bekämpfen. Die Uploader gehen extrem konspirativ vor und nutzen die Tatsache aus, dass die Provider nicht gezwungen werden können, die tatsächliche Adresse, die hinter einer IP-Adresse steckt, herauszugeben. Erst bei einem klaren Beweis einer strafbaren Handlung kann die Staatsanwaltschaft auf die Herausgabe der Adresse bestehen. Die Domaininhaber wie E-Donkey, Eselfilme usw. stehen juristisch auf dem Standpunkt, nur Vermittler zu sein. Sie selbst stellen ja keine Filme ins Netz. Hier wurden aber bereits die ersten juristischen Teilerfolge erzielt. Absolut erforderlich wäre die von allen Verbänden geforderte Gesetzesänderung, nach der Privatkopien nur von legalen Quellen gemacht werden dürfen. Dann könnten wir wesentlich effektiver gegen die P2P-Netzwerke vorgehen.


VW: Was halten Sie von der Möglichkeit, dass die Programmanbieter minderwertige Filmdateien ins Netz stellen?

BS: Gelegentlich wurde der Vorschlag gemacht, defekte Filmdateien in die Netzwerke zu stellen, um den Downloadern den Spaß zu verderben. Schadenfreude ist ja angeblich die schönste Freude. Ein im ersten Augenblick witziger Gedanke, stößt aber auf eine Menge juristischer und technischer Probleme. Unabhängig davon ist die Szene inzwischen so ausgebufft, dass dies sehr schnell festgestellt und in den Chaträumen der Domains innerhalb von wenigen Stunden eine Warnmeldung stehen würde.


VW: Wie beurteilen Sie die Aktivitäten des Handels durch seine Task Force?

BS: Das wird von der GVU absolut begrüßt, und ich halte die beschlossenen Maßnahmen für viel versprechende Ansätze. Wir führen ja schon seit über einem Jahr Gespräche mit dem Handel über tätige Hilfe. In den meisten Fällen scheiterten die Gespräche jedoch an der monetären Frage. Wenn nun die Mittel vorhanden sind, um unter der Führung der GVU erfolgversprechende Projekte zu starten, können unsere Ziele schneller erreicht werden. Ich begrüße ebenso die vom IVD angestrebte Mitgliedschaft in der GVU.

Bodo Schwartz, GVU, zur Arbeit der Piratenjäger-Organisation