Blickpunkt:Film

Verleih

VideoWoche: Nur relativ wenige Menschen aus der Videobranche kennen Sie. Warum sind Sie in der Öffentlichkeit so wenig präsent?


[Heinz Straßburg](/person/heinz-strassburg): Es entspricht weder meiner Lebensweise, noch ist es für den Geschäftserfolg notwendig, dass ständig über mich gesprochen wird, oder in der Zeitung etwas über mich zu lesen ist. Letztlich ruft man damit nur Neider auf den Plan.



VW: Dürfen wir ein paar Eckdaten aus der Zeit vor Ihrer Tätigkeit in der Videobranche erfahren?


HS: Geboren wurde ich 1923 im oberschlesischen Oppeln. Nach sechsjähriger Kriegsgefangenschaft kam ich 1952 mit einem Holzkoffer und geflickten Hosen in den Westen. Ich wog damals etwa 70 Pfund. Mit 200 Mark auf Pump habe ich mich selbständig gemacht und angefangen, Juweliergeschäfte zu eröffnen, die ich dann später verkauft habe. Danach habe ich noch in anderen Branchen gearbeitet, eine Zeit lang betrieb ich beispielsweise ein Hotel. Wichtig war mir immer die Selbständigkeit.



VW: Wann wurde für Sie der Videoverleih interessant?


HS: Das war 1987, nachdem ich in Limburg auf Karl-Dieter Kneupper getroffen bin, der mir die ersten Filme verkauft hatte. Wie ich dann feststellte, zu leicht überhöhten Preisen. Jedenfalls habe ich mich schlau gemacht, wie das Verleihgeschäft funktioniert, und dann sehr schnell die ersten Videotheken eröffnet. Der erste Standort war in Krefeld, danach folgten Eröffnungen in Mönchengladbach und Moers.



VW: Bei drei Videotheken ist es nicht geblieben...

HS: Die [Heinz Strassburg GmbH](/company/heinz-strassburg-holding) betreibt aktuell 49 Geschäfte. Natürlich kommt gelegentlich ein neuer Standort hinzu oder man schließt wieder ein Geschäft. Das sehe ich sehr pragmatisch. Rund 50 Geschäfte zu betreiben, ist für mich eine überschaubare Größe, mit der meine Angestellten und ich gut umgehen können.



VW: Wie haben Sie es geschafft, in solche Größenordnungen vorzustoßen?


HS: Ich bin Vollkaufmann und einer meiner wichtigsten Regeln im Leben lautete immer: Investieren! Der Weg von den geliehenen 200 Mark bis zu den 50 Videotheken war ein langer, auch ein sehr geradliniger. Ich habe immer die Auffassung vertreten, dass ein möglichst hoher Anteil der Erlöse wieder ins Geschäft gesteckt werden muss. In unserer Branche bedeutet das: Es gibt Kollegen, die 18 oder 20 Prozent in den Filmeinkauf reinvestieren. Bei mir sind es 30 Prozent und mehr. Wir geben doppelt so viel für den Einkauf neuer Filme aus als andere. Auf diese Weise können wir echte Sortimentsbreite und Kopientiefe anbieten. Manche meiner Kollegen beschäftigt mehr, wann sie ihren neuen Mercedes finanzieren können. So wird das eben nichts.



VW: Welches Auto fahren Sie denn?


HS: Ich fahre einen elf Jahre alten Mercedes. Meine Gedanken drehen sich nicht darum, wann ich das nächste Modell bestellen soll.




Glückwünsche für Heinz Straßburg





Lieber Herr Straßburg, im Namen der gesamten World of Video-Gruppe wünschen wir Ihnen zu Ihrem 80. Geburtstag am 3. Oktober alles nur erdenklich Gute. Auf diesem Wege möchten wir uns alle für die bisherige vorbildliche Zusammenarbeit bei Ihnen bedanken. Sie haben in der Vergangenheit für den gesamten Verleihmarkt deutliche und äußerst positive Impulse setzen können, von denen zweifelsohne der gesamte Markt profitiert hat. Die World of Video-Gruppe ist sehr froh darüber, Sie als aktiven Gesellschafter in ihren Reihen zu haben. Wir freuen uns auf eine gemeinsame, erfolgreiche Zukunft mit Ihnen. Ein Hoch auf den Jubilar!
[Andreas Gabb](/person/andreas-gabb), WoV-GF

Stellvertretend für die WoV-Gründungsmitglieder möchte ich die Gelegenheit nutzen, Herrn Heinz Straßburg für seine tatkräftige Unterstützung beim Aufbau unserer Gesellschaft zu danken. Ohne Herrn Straßburg und seine Prokuristin, Frau Anja Reese, wäre der schnelle Aufbau der World of Video GmbH & Co. KG nicht möglich gewesen. Das Heinz-Straßburg-Motto, "Lasst uns nicht lange reden, machen wir's einfach", begleitet uns auch heute noch, und ich freue mich auf viele weitere gesunde und erfolgreiche Jahre mit ihm.
[Rainer Heumann](/person/rainer-heumann), WoV-Gesellschafter








VW: Sehen Sie in Ihren Geschäften regelmäßig selbst nach dem Rechten?


HS: Sofern es die Zeit zulässt, mache ich das. Ich sehe dann manchmal Dinge, die mir nicht gefallen. Wenn ich in einem Neuheitenregal alte Filme entdecke, darf das nicht sein. Ich spreche das dann bei den jeweiligen Betreibern vor Ort an. Es ist wichtig, dass sich der Kunde einen leichten Überblick über das Angebot verschaffen kann. Er darf nicht lange suchen müssen. Ordnung und Orientierungshilfe halte ich deshalb für sehr wichtig



VW: Sind Ihre Betreiber Angestellte?


HS: Nein, Franchisenehmer, die auf Provisionsbasis arbeiten. Die jeweiligen Betreiber erhalten einen festgelegten Prozentsatz des Umsatzes im Verleih und im Verkauf. Die Betreiber müssen von den Provisionen nur das Personal finanzieren. Es ist eine Art Franchisesystem.



VW: Wie groß sind Ihre Videotheken im Durchschnitt?


HS: Die Mehrzahl der Geschäfte haben eine Größe von 400 bis 500 Quadratmetern. Je nach Standort sind es auch um die 250 Quadratmeter. Die aktuell größte Filiale betreiben wir mit 1000 Quadratmetern in Göttingen. In Delmenhorst führen wir eine Videothek mit 850 Quadratmetern.



VW: Wie würden Sie das Ambiente Ihrer Geschäfte beschreiben?


HS: Hell, modern, freundlich und ich möchte hinzufügen: sauber. Das klingt jetzt nicht sonderlich spektakulär und ich bin sicherlich nicht der erste, der das so oder so ähnlich formuliert. Ich begreife Videotheken als Begegnungsstätten von Menschen. Es sind Orte, wo sich unsere Kunden treffen, um über Filme zu reden oder andere Dinge. Das wird auch immer unser großer Vorteil gegenüber anderen Medienanbietern sein.



VW: Wie binden Sie Ihre Kunden?


HS: Wie Sie wissen, ist die [WoV](/company/world-of-video-zentrale)-Gruppe beim Umsetzen neuer Marketingaktionen sehr aktiv, und darüber hinaus veranstalten wir natürlich unsere individuellen Werbemaßnahmen. Aber viel lieber möchte ich etwas zur Bedeutung von Kundenbindung anhand eines scheinbar ganz harmlosen Beispiels aufzeigen: Vor einiger Zeit war ich in einer unserer Videotheken und fragte einen Mitarbeiter, dem ich unbekannt war, nach einem bestimmen Film. Die Antwort lautete: "Schauen Sie irgendwo da hinten!" Menschen, die solche Antworten geben, sollte klar sein, dass sie ihrem Betrieb schaden. Wenn sich der Service in unseren Läden darin erschöpfen würde, dass es einem Videothekenangestellten nahezu egal ist, ob ich einen Film finde, dann entspricht das ganz und gar nicht meiner Vorstellung. Jedem Beteiligten muss doch klar gemacht werden: Der Kunde ist König.



VW: Welche Bedeutung hat Werbung bei Ihnen?


HS: Werbung ist enorm wichtig. Man muss immer im Gespräch bleiben. Wir sind bisher mit einem Mix aus Anzeigenwerbung, Directmailings und Postwurfsendungen gut gefahren. Über die WoV ergänzt sich das Konzept jetzt durch direkte SMS, Internet und Aktionsangebote, die wir natürlich auch direkt kommunizieren



VW: Wie wichtig war für Sie die Gründung der Einkaufsgruppe World of Video?


HS: Ich gehörte zu denjenigen, die die Abspaltung vom Deutschen Videoring gefordert und forciert haben. Ich war eine der treibenden Kräfte. Wäre es nicht zur Gründung der WoV gekommen, hätte ich mir ernsthaft überlegt, ob und wie ich weiter expandieren kann. Für mich und meine Kollegen war die Gründung der WoV ein bedeutender Schritt, um in diesem Markt weiter bestehen zu können. Mit der Entwicklung bin ich absolut zufrieden. [Andreas Gabb](/person/andreas-gabb) ist als Geschäftsführer unserer Gruppe jung und motiviert. Ich hatte bei ihm von Anfang an ein gutes Gefühl.



VW: Haben Sie schon einmal einen Fehler gemacht, den Sie wirklich bereut haben?


HS: Dazu fällt mir ein, dass es verkehrt war, bestehende Videotheken, die wir neu eingerichtet haben, von Kollegen zu kaufen. Das hat selten funktioniert. Meine Erkenntnis: Entweder mache ich an einem Standort einen komplett neuen Laden auf, oder ich lasse es bleiben. Übernimm niemals das Geschäft eines Kollegen, würde ich als Regel in das Handbuch "Wie betreibe ich Videotheken?" aufnehmen.



VW: Was gehört sonst zu einem erfolgreichen Geschäftsmann?


HS: Allgemein formuliert: logisches und kaufmännisches Denken. Das könnte ich anhand von zahlreichen kleinen Einzelbeispielen erläutern: Neben der Maxime, Gewinne wieder zu investieren, gehört beispielsweise auch dazu, Rücklagen zu bilden, was letztlich auch nichts anderes als eine Form der Investition ist. Manche Kollegen machen sich über solche selbstverständlichen Standards zu wenig Gedanken. Sehr wichtig ist aber auch, sich mit fähigen Mitarbeitern zu umgeben. An erster Stelle möchte ich [Anja Reese](/person/anja-reese) nennen, die bei mir ein ganz besonderes Vertrauen genießt. Mir ist es sehr wichtig, dass sich meine Mitarbeiter in unserer Firma wohlfühlen. Ich will, dass meine Mitarbeiter morgens beim Aufstehen das Gefühl haben, gern ins Büro zu kommen. Bodenständig und konservativ zu sein, was ich für mich in Anspruch nehme, bedeutet auch, auf das Wohlbefinden anderer Menschen zu achten.



VW: Menschen ihres Alters werden immer gefragt, wie Sie es geschafft haben, so fit zu bleiben...


HS: Ich rauche nicht, ich trinke keinen Alkohol, und ich esse nur die Hälfte dessen, was andere zu sich nehmen. Normalerweise komme ich mit dem Fahrrad oder zu Fuß ins Büro, wo ich nicht selten morgens um halb sieben der Erste bin. Wenn Sie mich nach meinem Erfolg als Geschäftsmann fragen, so müsste ich auch etwas über Selbstdisziplin sagen, die viele Menschen heutzutage nicht aufbringen.



VW: Sie pflegen eine asketische Lebensweise. Woran erfreuen Sie sich, wenn Sie gerade nicht arbeiten?



HS: Mein Hobby sind Rennpferde und vermutlich der einzige Luxus, den ich mir gönne. Ein wenig Geld muss ich da jeden Monat schon nachschießen. Ansonsten pflege ich eher die Tugend der Bescheidenheit.



VW: Wann setzt sich Heinz Straßburg zur Ruhe?


HS: Sofern es die Gesundheit zulässt, erst einmal gar nicht. Bis 90 werde ich auf jeden Fall weiterarbeiten, höchstens die Stundenzahl etwas begrenzen. Arbeit ist eine Droge für mich. Ich bin neugierig auf das Leben. Da ich im Gegensatz zu manchen anderen Experten Videotheken für kein Auslaufmodell halte, bin ich überhaupt nicht besorgt, dass es demnächst keine Arbeit mehr für mich gäbe.

Heinz Straßburg feiert 80. Geburtstag