Blickpunkt:Film

Verleih

VideoWoche: Würden Sie sagen, dass der Austritt aus dem [Deutschen Video Ring](/company/dvr-deutscher-video-ring) der richtige Schritt war?

Jean Cyril Neis: Ja, auf jeden Fall. Er hätte noch viel früher stattfinden müssen. Er war die logische Konsequenz aus unserem aufgestauten Unmut, resultierend sowohl aus der vorhandenen Führungsschwäche als auch aus der Orientierungs- und Perspektivlosigkeit des DVR. Unser Austritt hatte letztendlich Signalwirkung, dass es auch anders geht.

VW: Was hat sich im zurückliegenden Jahr in der MHE AG verändert?

JCN: Wir haben innerhalb von drei Monaten einen schlanken Apparat aufgebaut, der im Laufe des Jahres 2001 bereits richtungweisend auch für andere Gruppierungen gezeigt hat, wie man unter optimaler Nutzung der EDV kostengünstig sämtliche Einkaufsbereiche für VHS, DVD, Spiele und sonstige Verkaufswaren mit dezentraler Auslieferung und zentraler 14-tägiger Rechnungstellung mit lediglich vier Mann Personal für 120 Videotheken zusammenfasst. Daher beträgt unsere Handlingspauschale nur 50 Euro pro Filiale und Monat. Diese kleine Mannschaft versorgt uns sowohl mit unserer eigenen Hauszeitung "Flash" als auch mit dem Neuheitenposter und bereitet auch sonstige Aktionen am PoS vor.

Jeder Datensatz wird von der Medien-House-Zentrale einmalig manuell erfasst und anschließend vollelektronisch verarbeitet - angefangen bei der Vordisposition über den Datenversand zum Kunden, vom Kunden zurück bis zur endgültigen Filmdisposition auf Industrieseite. Das spart manuelle Arbeit und somit jede Menge Kosten. Dies auch auf Anbieterseite, da von uns keine langen Listen verschickt werden, sondern Disketten, die sich automatisch in vorhandene Systeme implementieren. Dass dies auf Anbieterseite gewürdigt wird, ist verständlich. Ferner haben wir innerhalb kürzester Zeit einen eigenen Internetauftritt aufgebaut und eine Chipkarte fast flächendeckend eingeführt, mit der heute schon circa 80 unserer 120 Filialen arbeiten.

VW: Inwieweit ist es gelungen, MHE als Markennamen zu etablieren bzw., wie weit ist Ihre Gruppe vorangeschritten, ein einheitliches Erscheinungsbild der Outlets umzusetzen?

JCN: Die Umrüstung unserer Videotheken zu Medien-House-Entertainment-Stores ist bei Kunden und Industrie gleichermaßen gut angekommen. Unser Logo vereint Moderne und Kompetenz und transportiert diese Botschaft auch an den Endkunden weiter. Im jetzigen Stadium sind rund 80 Prozent der mit uns kooperierenden Läden auf Medien-House-Entertainment-Stores umgerüstet, wobei wir unter einer Umrüstung nicht das Anbringen eines weiteren Namensschilds am Schaufenster verstehen, sondern eine konsequente Umsetzung, von der Außenwerbung angefangen über die Transparente bis zur beleuchteten Innendekoration. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass künftige bundesweite Werbemaßnahmen der MHE-Gruppe den PoS auch erreichen und nicht verpuffen. Denn der Kunde muss die Werbung mit unserer Videothek assoziieren.

VW: Wie viele Videotheken werden derzeit über die MHE beliefert?

JCN: Ursprünglich sind wir im April 2001 mit 80 Videotheken gestartet. Mittlerweile sind wir auf 120 Läden angewachsen, wobei nicht Wachstum um jeden Preis im Vordergrund steht, sondern die Homogenität der Gruppe. Einer für alle, alle für einen und der Spaß an der Arbeit sind unsere erklärten Devisen. Das klingt vielleicht etwas naiv, doch die Vergangenheit in der MHE AG hat gezeigt, dass es richtig ist.

VW: Wie kann sich die MHE AG zwischen den Blöcken [emp](/company/emp-entertainment-medien-partner)/ [MMP](/company/multi-media-partner-mmp)/ [movie plus](/company/movie-plus-medien) auf der einen Seite und der [WoV](/company/world-of-video-zentrale), die zum Teil mit der [MMG](/company/mmg-media-marketing) kooperiert, behaupten?

JCN: Problemlos. Die Gruppen sind ja nicht verfeindet und reden miteinander. Ich verweise nur auf den Runden Tisch, an dem die MHE teilnimmt und sich auch finanziell beteiligt. Hier werden die Themen der Zukunft wie Sonntagsöffnung, neues Jugendschutzgesetz, Gamesverleihrecht etc. zum Wohl des gesamten Markts behandelt. Ob das die Basis für ein weiteres Zusammenrücken der Gruppen darstellt, wird die Zukunft zeigen. Das geht jedoch nur, wenn die Einzelinteressen mancher Leute zum Wohl der Allgemeinheit in den Hintergrund treten. Bis dahin ist noch ein langer, steiniger Weg zu beschreiten.

Stark im DVD-Verkauf engagiert



VW: Wie hat sich der DVD-Verleih 2001 in den MHE-Outlets entwickelt?

JCN: Im Jahr 2001 hat sich das Verhältnis VHS zu DVD von circa 30 Prozent DVD-Anteil auf über 50 Prozent verschoben. Trotz der Stagnation bei VHS konnten wir aber eine Steigerung des Vermietumsatzes feststellen. Da wir uns 2001 auch im DVD-Verkauf besonders engagiert haben, konnten wir unseren Gesamtumsatz um einen zweistelligen Prozentbetrag steigern.
Wobei wir allein im DVD-Verkauf seit Mitte letzten Jahres weit über eine Million Euro Verkaufsumsatz erreicht haben.

VW: Beim Thema Auswertungsfenster vertreten Sie eine vergleichsweise harte Position gegenüber den Anbietern: Wie genau sehen Ihre Forderungen aus, und was sind Sie im Gegenzug dafür zu leisten bereit?

JCN: Unserem Markt fehlt momentan eine klare Linie. Auf Industrieseite versuchen viele Anbieter, neue Vermarktungsmodelle zu etablieren und diese uns Händlern dann als Stein der Weisen zu verkaufen. Tatsache ist, dass die Fenster sich enorm zu Lasten des Verleihhandels verkürzen. Dem wird aber bei den Abgabepreisen in keiner Weise Rechnung getragen. Ich appelliere an dieser Stelle an [Dirk Lisowsky](/person/dirk-lisowsky), sein Modell der Fensterverkürzung auf einen Monat und den nahezu verdoppelten Einkaufspreis zu überdenken. Sein Modell kann nur zu Lasten der Kopientiefe bestehen und wirkt sich auf den Markt kontraproduktiv aus.

Ich habe schon immer betont, dass der Umsatz eine Seite der Medaille ist, die Rendite jedoch die andere. Wären die Anbieter ehrlich, so müssten sie zugeben, dass sie vor Einführung der DVD kaum noch Renditen durch die VHS-Kaufkassette hatten. Logistik und die Abhängigkeit von den Verbrauchermärkten haben die Renditen,aufgefressen". Nüchtern betrachtet, hat der Verleih während des Auswertungszeitraums lediglich eine anständige Verzinsung des noch ausstehenden Verwertungskapitals unter Abzug aller selbst bedingten Kosten sicherzustellen, und dies tut er mit einer durch die GfK geschätzten Umsatzgröße von annähernd 368 Mio. Euro. Verleihumsatz gegenüber 856 Mio. Euro Kaufumsatz im Jahr 2002.

Unser Markt wird durch die Bestell- und Abrechnungslogistik, wie sie Gruppen wie die MHE AG und andere bieten, teilweise nur noch von ein, zwei Außendienstlern pro Anbieter bundesweit abgedeckt. Wo sind denn da die großen Kosten gegenüber der Fertigung der Kaufkassette und der Rücknahme der Remittenten? Auch wird auf Anbieterseite gern vergessen, dass es nur einen "[Der Schuh des Manitu](/movie/der-schuh-des-manitu)" oder einen "[Harry Potter](/movie/harry-potter-und-der-stein-der-weisen)" jährlich gibt - nur um diese als Beispiel für Blockbuster zu nennen. Aber die restlichen, weit schwächeren Filme müssen eben auch vermarktet werden.

Nur wenn weiter gesamtkonzeptlos auf unseren Markt zerstörend eingewirkt wird, sind irgendwann die 368 Mio. Euro Umsatz futsch und die sich daraus ergebende Rendite ebenfalls. Daher heißt meine Forderung ganz klar: ein Verleihfenster von drei Monaten und ein Preis von 20 bis 30 Euro pro VHS/DVD. Bei dieser Lösung ist Marktsicherheit für alle gegeben. Ebenso muss das Auswertungsfenster Kino einer kritischen Prüfung unterzogen werden.

VW: Der VHS-Verleih stagniert oder geht leicht zurück. Trotzdem bleibt er auf unabsehbare Zeit eine feste Umsatzgröße. Wie gewichten Sie VHS und DVD derzeit im Einkauf, und welche Entwicklung erwarten Sie für die Zukunft?

JCN: Derzeit gewichten wir den Einkauf 50 zu 50, obwohl bundesweit erst eine DVD-Playerpenetration von circa fünf Prozent erreicht ist. Das zeigt, dass ich mit meiner These, dass wir etwa 70 Prozent unseres Umsatzes mit circa drei bis vier Prozent der Bevölkerung generieren, richtig liege. Der so genannte Heavy-User, der mindestens drei- bis fünfmal pro Woche die Videothek besucht und von dem wir alle leben, hat seine VHS-Sammlung aufgelöst und einen DVD-Player und das entsprechende Surroundequipment angeschafft. Er baut seine Sammlung auf DVD neu auf. Das wirkt sich ebenfalls auf das Wachstum des DVD-Kaufmarkts aus.

Naturgemäß wird daher der DVD-Playerabsatz 2002 prozentual nicht mehr so wachsen, da der Grundbedarf entsprechend gedeckt ist. Das zeigt auch, dass dem Verleihhandel nicht entsprechende Umsatzzuwächse zuteil werden, wie sie die Anbieter im DVD Verkaufsgeschäft erlebt haben, sondern im Verleih lediglich eine Umsatzteilung mit geringem Zuwachs im einstelligen Prozentbereich stattgefunden hat. Alles läuft darauf hinaus, dass die DVD dem Heavy-User und die VHS dem Light-User vorbehalten bleibt.

Nutzerzahlen nicht großartig erhöht

Die Videotheken haben somit den Trend schon vorweggenommen, der sich in circa fünf Jahren in Deutschland zeigen wird. Wer bis dato als Videorekorderbesitzer keine Videothek genutzt hat, wird auch künftig als DVD-Besitzer höchstwahrscheinlich sein Verhalten nicht ändern und zum Leihkunden werden. Es ist zwar unverständlich, doch ist es uns in der Vergangenheit nicht gelungen, unsere Nutzerzahl großartig zu erhöhen. Werbemaßnahmen hatten größtenteils lediglich zur Folge, dass Potenziale des Mitbewerbers abgezogen wurden. Eine dauerhafte Erhöhung konnten wir jedoch nicht beobachten.

VW: Einer Ihrer Kollegen hat sich kürzlich sorgenvoll über das Segment Gamesverleih geäußert, aufgrund unklarer Aussagen zum Verleihrecht. Wie bewerten Sie denn dieses Thema?

JCN: Ich bewerte es als sehr wichtig, wobei wir dieses Thema bereits am Runden Tisch behandeln und das Jahr 2002 uns noch viele Veränderungen in diesem Bereich bescheren wird. Ich verweise nur auf die Einführung der Microsoft-Xbox und des GameCube von Nintendo. Die Videotheken an sich haben beispielsweise Sony damals durch die Vermietung von PSX-Spielen den Markteinstieg sehr erleichtert. Schade, dass Herr [Manfred Gerdes](/person/manfred-gerdes) dies schon vergessen hat. Doch denke ich, dass andere Anbieter die 'Plattform' Videothek mehr akzeptieren und zur Etablierung ihrer Produkte nutzen werden.

Im Gespräch: Jean-Cyril Neis, Medien-House Entertainment AG