Blickpunkt:Film

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VideoWoche: Sie haben Ihr Traumprojekt verwirklicht. Sind Sie erleichtert, oder fallen Sie in ein Loch?

[Sönke Wortmann](/person/soenke-wortmann): Es war mein Traumprojekt schlechthin. Vielleicht war ich nur deswegen auf der Filmhochschule, um eines Tages diesen Film zu drehen, und das ist schon eine problematische Situation. Eigentlich sollte ich aufhören, was ich mir aber nicht leisten kann, schließlich habe ich eine große Familie.

VW: Wie lange dauerte es bis zum fertigen Film? Haben Sie beim Drehen noch etwas verändert?

SW: Eigentlich nicht. Allein die Drehbuchphase betrug mit Unterbrechungen vier Jahre. Am Anfang hatte ich wesentlich mehr Fußball drin, jede Kürzung ging auf Kosten des Spiels, weil mich die Familiengeschichte letztendlich mehr interessierte als die Fußballgeschichte.
"Wollten möglichst authentisch sein"
VW: Sie haben mit Ihrer Firma [Little Shark Entertainment](/company/little-shark-entertainment) den Film produziert. Wollten Sie dem Koproduzenten [Hanno Huth](/person/hanno-huth), der Ihren Film "Der Himmel über Hollywood" nicht rausgebracht hat, auf die Finger schauen?

SW: Weniger. Ich bin Hauptproduzent, Senator ist in erster Linie Verleiher. Dass "Der Himmel über Hollywood" nicht ins Kino kam, war schon sehr frustrierend, weil ich viel Konzentration und Energie in das Projekt gesteckt hatte. Aber die Sache ist gegessen. Ich könnte mir vorstellen, dass Senator angesichts des Erfolgs von "[Das Wunder von Bern](/movie/das-wunder-von-bern_4)" den Film vielleicht nachschiebt.

VW: Stand der Produzent Wortmann dem Regisseur Wortmann manchmal finanziell im Weg?

SW: Während des Drehs habe ich meine Produzentenseite komplett an meinen Partner Tom Spiess übergeben, wir sind in der Firma gleichberechtigt.

VW: Wie haben Sie die Szenen des Endspiels gedreht?

SW: Wir haben ein eigenes Stadion gebaut und nach der Sonne ausgerichtet. Ein Greenscreen umfasst die drei Seiten des Stadions, die Zuschauer wurden digital hineinkopiert. Die Sportberichterstattung ist heute sehr professionell, da mussten wir uns anstrengen, das Spiel aufregend zu gestalten. Aber im Unterschied zum Fernsehen konnten wir mit der Kamera auf den Platz und um die Spieler herumlaufen. Im Einsatz waren eine Steadycam und fünf weitere Kameras sowie Schwenker von Bundesliga- und Champions-League-Spielen. Die sind so erfahren, die wissen genau wo der Ball hinfliegen wird.

VW: Welche Überlegungen spielten bei der Besetzung von Personen der nahen Zeitgeschichte mit?

SW: Wir wollten möglichst korrekt und authentisch sein. Die Spieler sollten eine möglichst große Ähnlichkeit mit den Fußballern von damals haben. Bei Sepp Herberger und den meisten Spielern ist das auch gelungen. Die Älteren waren fassungslos, als sie die Mannschaft gesehen haben. Horst Eckel und Torhüter Heinrich Kwiatkowski, die in Bern dabei waren, haben mir sehr viel geholfen. Das Casting lief mal anders herum. Wir haben Fußballer gesucht, die auch schauspielern konnten.

VW: Haben Sie bewusst auf bekannte Namen - [Peter Lohmeyer](/person/peter-lohmeyer) ausgenommen - verzichtet?

SW: Wegen wem geht man in Deutschland ins Kino? Es ist auch an der Zeit, mal wieder neue Gesichter einzuführen. Hinter einem bekannten Schauspieler verschwindet zu oft die Figur. Der Lohmeyer musste ganz schön ackern, er durfte sich gegenüber seinem Sohn, der den Filmsohn spielt, keine Blöße geben.

VW: Dieser Mythos gibt Puristen Anlass, sich auf jede Abweichung gegenüber der Wirklichkeit stürzen…

SW: Das stimmt. Im Prinzip ist alles so passiert, beispielsweise das Fritz-Walter-Wetter. Natürlich hat Herberger niemanden rausgeworfen, gab es keine Putzfrau mit Ratschlägen, die naive Frau des Journalisten oder den kleinen Jungen im Stadion. "Das Wunder von Bern" ist schließlich kein Dokumentarfilm.
"Im Prinzip ist alles so passiert"
VW: Sehr viel Wert legen Sie auf die Atmosphäre in der Essener Bergarbeitersiedlung, die Situation in der Familie des Kriegsheimkehrers.

SW: Ich bin in so einer Straße aufgewachsen, mein Vater war im Krieg, wenn auch nicht in Gefangenschaft. Mir ist es selbst passiert, dass meine geliebten Kaninchen auf dem Tisch landeten. Befehl und Gehorsam, hieß es bei den Männern, auch in der Erziehung. Etwas sensibler sind Männer aber heute schon.

VW: Sind Sie mit den Jahren sensibler geworden?

SW: Vielleicht bin ich etwas vielschichtiger geworden, das liegt wahrscheinlich am Alter und an meinen Kindern. Wenn Sie auf die Komödien anspielen: Ich habe damals damit angefangen, auch als Aufbegehren gegen die vorherige Generation von Wenders und Herzog. Ich konnte auch mit Tarkowskij nicht so viel anfangen, wenn Leute mit einer Kerze um den Swimmingpool laufen, und habe mich gegen den Gruppenzwang, das gut zu finden, gewehrt. Die Komödien waren ein Ausweg, mal davon abgesehen, dass ich dieses Genre mag. Ich hätte "Das Wunder von Bern" vor zehn Jahren nicht machen können, nicht nur technisch und optisch, sondern auch von der Erfahrung her.

Sönke Wortmann über "Das Wunder von Bern"