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Die Mienen der Auguren werden ganz langsam wieder freundlicher: Die Tonträgerbranche scheint die Talsohle erreicht und möglicherweise bereits durchschritten zu haben. Anlass zur Entwarnung ist dennoch nicht gegeben. Denn die Käufer wollen umworben werden, und wenn nötig, dann eben mit neuen Formaten.


So sorgte zuletzt das Staffelpreiskonzept von BMG für Bewegung am Markt. Im Medienrummel um den Erfolg dieser Idee wird fast vergessen, dass bereits vor einem Jahr [Sony Music](/company/sony-music-entertainment-germany_c) und Universal mit der pock it! disc auf den Markt kamen. Das Ding sollte die Wiedergeburt der klassischen Single sein. Nur etwa halb so groß wie herkömmliche Musik-CDs und zu einem deutlich günstigeren Preis sollte die pock it! disc das Singleformat revolutionieren.


Sony-Vertriebschef [Wolfgang Orthmayr](/person/wolfgang-orthmayr) ließ es sich nicht nehmen, die logistischen Fragen, die das neue Format aufwarf, selbst zu testen, die Disc im Frühjahr 2003 im Charts- und Marketingausschuss vorzustellen und wärmstens zur Nachahmung zu empfehlen. Sony und Universal versprachen sich von dem neuen Format, es werde Käuferschichten ansprechen, die dem legalen Tonträgermarkt sonst verloren gehen würden. Nicht zuletzt sollte die Einführung der pock it! disc den in den vergangenen Jahren stetig sinkenden Absatz der Single abfedern, der besonders durch die Verbreitung von CD-Brennern und illegalen Internettauschbörsen unter Druck geraten war.


"Handlich, bunt und preiswert" - mit diesen Attributen wollten Sony Music und Universal die Käufer der Zukunft an sich binden. Und damit stießen sie durchaus nicht nur auf Begeisterung; nicht alle Majors mochten dem marktstrategischen Kalkül der pock-it!-Partner echte Attraktivität bescheinigen. "Wichtig ist die Differenzierung von der normalen Maxi", sagte Projektmanager Olaf Kroll von Sony Music anlässlich der Einführung vor einem Jahr. "Eine 5-Inch-CD hätte logistisch kein Problem dargestellt. Aber genau in diesem Vorteil liegt auch der große Nachteil - es gibt eben keinen sichtbaren Unterschied. Ein neues Format muss sexy sein, kultig und limitiert, mit einem Wort: Es muss Begehrlichkeiten wecken."


"Große Hits für kleines Geld" lautete die Devise, die den Musikfans den Griff in das neben der Kasse oder in der Tonträgerabteilung positionierte Display schmackhaft machen sollte. Seit Juni 2003 standen zunächst in rund 1000 Outlets fertig konfektionierte Displays mit je zwölf verschiedenen Titeln, die alle 14 Tage ausgetauscht werden sollten und nur in diesem Zeitraum erhältlich waren. Die Limitierung und der damit verbundene Sammelaspekt dienten zur stärkeren Aktivierung der Zielgruppe. Jeder Händler wurde mit einem komplett bestückten Display bemustert, das zwei Wochen später im selben Karton zur Auswertung an Sony Music zurückging.


"Der Handel hat es begrüßt, dass es etwas Neues gibt", freute sich Projektmanager Kroll. Da stimmt [Rouven Weber](/person/rouven-weber), Sales Marketing Universal, zu: Nach einem Jahr pock it! disc sieht er das Produkt erfolgreich etabliert; auch die anfänglichen Präsentationsprobleme im Handel seien gelöst. Die Sonderpräsentation wurde inzwischen weitgehend von händlerspezifischen Lösungen ersetzt, auch das "Abo-Konzept" wurde zugunsten einer klassischen Disposition aufgehoben. Größter Vorteil für die beteiligten Companies, da ist sich Rouven Weber sicher: "Mit der pock it! kannst du einen Hit machen!"


Maxi-CD-Käufer satteln nicht um


Er sieht die größte Bedeutung der pock it! deshalb als Marketinginstrument, um eine Chartsplatzierung zu erreichen. Daneben weist die kleine Disc eine Gemeinsamkeit mit dem neuen Dreiklassenmodell von BMG auf: Sie bedient die differenzierten Bedürfnisse der Fans. Und die Limitierung macht die Dinger besonders auch für die echten Sammler interessant. Das pock-it!-Produktsortiment ist seit Beginn hochwertig. Gestartet wurde mit [Ashanti](/person/ashanti), Ricky Martin, [Jeanette](/person/jeanette) und [Bro'Sis](/collective/brosis); inzwischen finden sich Top Acts wie O-Zone, [U2](/collective/u2) und [Shania Twain](/person/shania-twain) im pock-it!-Angebot. Dennoch liegt der Schwerpunkt auf zielgruppenaffinen Top-30-Produkten wie [Groove Coverage](/collective/groove-coverage) oder Preluders, ergänzt durch Fan-Editionen im pock-it!-Bereich wie etwa die neue Single von [The Cure](/collective/cure).


Die Befürchtung, dass viele Maxi-Käufer auf die preisgünstigere Alternative umsatteln könnten, hat sich nicht bewahrheitet. Die Maxi-CD ist weiterhin am Markt verankert und die pock-it!-Variante als zusätzliches Angebot etabliert. "Vergleicht man die Wochenverkäufe, stellt man fest, dass kaum Substitutionseffekte aufgetreten sind", erklärt Olaf Kroll. "Die Quote liegt bei rund zehn Prozent. Würden die Maxi-Käufer alle zur pock it! überlaufen, müssten wir das Projekt sofort wieder einstellen." Doch daran denkt auch nach einem Jahr anscheinend niemand.

Ein Jahr pock it! disc