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VideoWoche: Wie kamen Sie mit dem Thema Videoverleih in Berührung?

Helmut Lechner: Den Geschäftsbetrieb habe ich im Januar 1980 aufgenommen. Ich betrieb damals noch keine Videotheken-Geschäfte, sondern Jet-Tankstellen, die wir später bundesweit mit Verleihvideos ausgerüstet haben. Mit Video kam ich in Berührung, als die berühmten "Kofferraumvertreter" unterwegs waren, die aus dem Auto heraus Kassetten von Anbietern wie VPS und UFA verkauften, und auch mich fragten, ob ich Filme verleihen wolle. Nachdem ich festgestellt hatte, dass einzelne Kassetten zu 100 Prozent ausgelastet waren, fing ich an, mich ernsthaft mit dem Thema Verleih zu beschäftigen. Anfangs hatte ich etwa 50 Kassetten bereits neun Monate später waren es 2000, die sich alle in einem 14 Quadratmeter großen Nebenraum einer Tankstelle befanden. Bei einer Verleihgebühr von neun Mark waren das traumhafte "Quadratmeterumsätze".

VW: Wann eröffneten Sie Ihre erste Videothek und wie muß man sich die Situation in dieser Zeit in München vorstellen?

HL: Meine erste eigene Videothek habe ich 1982 eröffnet. Wie überall entpsprachen auch in München die Videotheken dem typischen Image der achtizger Jahre: Es waren schmuddelige, verklebte Bruchbuden. Die Scheu, mit anderen Videothekaren überhaupt zu sprechen, war sehr groß. In der Regel kannte man seinen Mitbewerber persönlich gar nicht. Alle waren Neugründer, die aus den unterschiedlichsten Branchen kamen, darunter auch schillernde Paradiesvögel aus der einschlägigen Szene. Wir haben uns damals sehr argwöhnisch beobachtet und teilweise bekämpft, obwohl man gar nicht wußte, ob ein Konkurrent überhaupt gefährlich ist. Die Angst war sehr groß, dass man als Existenzgründer das Nachsehen hatte.

VW: Trotzdem sprechen Videothekare, die damals schon dabei waren, von "Goldgräberstimmung". War es wirklich so?

HL: Die gab es tatsächlich. Wir Videothekare haben nie wieder so viel Geld verdient, wie in dieser Zeit. Die Nachfrage nach Videos war unbeschreiblich hoch, die Angebotsstellen und die Verfügbarkeit der Filme aber sehr gering. Kunden mußten bis zu zwei Monate auf einen Film warten, das ist heute im Zeitalter der Kopientiefe undenkbar. Man kaufte von einem Film eine Kassette, die zuerst die wichtigen Stammkunden bekamen. Oftmals wurde eine Kassette nach zwei Stunden wiedergebracht, und der nächste Kunde wartete im Geschäft schon darauf. Auf diese Weise war es möglich, dass ein Film innerhalb von 24 Stunden fünf Mal vermietet wurde und seinen Einkaufspreis schnell einspielte. Deswegen hat es niemanden interessiert, ob eine Kopie 100, 200 oder 300 Mark kostete.

VW: Waren Ihnen damals schon die Namen der Videoanbieter vertraut?

HL: Firmen wie Warner, Columbia oder Buena Vista kannte man nicht, weil man am Anfang in keiner Geschäftsbeziehung zu ihnen stand, oder weil sie noch gar nicht existierten. Zuerst waren Independents wie VPS oder VMP/Cannon bekannt. Kontakt hatten wir zunächst nur zu Außendienstmitarbeitern, deren Namen geläufiger waren, als die der Anbieter. Auch die Bezahlung der Kassetten war kurios: Wir zahlten bar, ohne Gefühl für irgendein Preisgefüge, an dem man sich orientieren konnte. Erst später kamen dann die ersten Vermarktungsmodelle, beispielsweise Leasing-Systeme.

VW: Wie ging's dann weiter?

HL: Ich kam rasch zu der Erkenntnis, dass ich das verdiente Geld für einen Ferrari oder eine Villa auf Mallorca auf den Kopf hauen konnte - wie es viele getan haben - oder expandieren mußte. Ich habe mich fürs Investieren entschieden, auch wenn die Finanzierung von Neueröffnungen viel Geld kostete, weil es damals noch keine Gebrauchtkasetten gab, um sich einen komplett neuen Filmbestend anzuschaffen.

VW: Sie haben dann "monte video" als Markennamen entwickelt.

HL: Unsere Firmenbezeichnungen haben im Laufe der Zeit mehrmals gewechselt. Zuerst hieß es InterMobil Video, dananch Tag-und-Nacht-Verleih und dann 1-Mark-Videofilmverleih. Viele Branchenteilnehmer glauben, dass es den Namen "monte video" schon immer gegeben habe, tatsächlich existiert er erst seit 1993. Die Gründung von Monte Video ist für mich gleichbedeutend mit der Entwicklung unseres Franchisekonzeptes und der Beschäftigung mit professionellem Marketing.

VW: Wie funktioniert Franchise bei Ihnen?

HL: Zunächst war es so, dass der Filmbestand und die Räumlichkeiten mir gehörten, und ich die Läden an Pächter vergab, die sie in einer Art Verwaltermodell betrieben. Daraus entwickelte sich das Franchisemodell. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, bei uns Partner zu werden. Der normale Weg ist aber, dass wir eine Videothek eröffnen, sie in die Rentabilitätszone bringen, und anschließend das Geschäft an einen Franchisenehmer abgeben. In diesem Konzept ist das Erscheinungsbild der Geschäfte vorgegeben, sowie die Werbung und das Marketing. Aktuell gibt es 72 monte video-Filialen, die meisten davon in Ober- und Niederbayern.

VW: Inzwischen gibt es nicht nur monte video als Videothekenkette, sondern auch als Einkaufsgemeinschaft.

HL: Nachdem ich aus der MMG ausgeschieden war, stand ich vor der Frage, mich einer anderen Gruppe anzuschließen, oder wieder etwas eigenes zu machen. Ich habe dann vor zwei Jahren die Monte Video Einkauf und Marketing GmbH gegründet, nicht für den Einkauf sehr großer Mengen, sondern für einen überschaubaren Kreis. Videothekenbetrieb und Einkauf/Marketing werden von zwei getrennten Gesellschaften betrieben. Der Grund dafür ist, auch anderen Videotheken, die nicht zu monte video gehören, die Möglichkeit zu geben, über monte video einzukaufen. Ich weiß, dass der akustische Gleichklang im Namen manchmal zu Verwirrung führt. Der Name "monte video" hat sich als Glückgriff erwiesen. Geschäftspartner, inbesondere außerhalb der Videothekenbranche, glauben immer sofort mit einem ihnen bekannten Unternehmen zu sprechen, obwohl sie noch nie Kontakt mit uns hatten.

VW: Dachten Sie, als Blockbuster in München seine ersten Geschäfte eröffnete: "Das ist das Ende!"?

HL: Anfangs war nicht klar, wie viele Geschäfte Blockbuster eröffnen würde. Wären es 30 gewesen, hätten wir vielleicht ernsthafte Probleme bekommen. Jedenfalls mobilisierte die Ankündigung von Blockbuster meinen Kampfgeist. Rückblickend betrachtet, war dies eine entscheidende Phase für die positive Entwicklung unseres Unternehmens. Wir sind aufgewacht und uns wurde klar, dass wir nicht mehr im alten Trott weitermachen konnten. Wir haben damals intensiv über die Ausstattung der Geschäfte, über Ausbildung des Personals und vieles mehr nachgedacht. Wegen Blockbuster war auf einmal auch das Thema Kopientiefe für uns wichtig. Vorher hatten wir von einem Film fünf oder acht Kopien in den Läden, als Blockbuster kam, mussten wir 30 Kassetten ins Regal stellen. Letztlich ist Blockbuster dafür mitverantowrtlich, dass wie im Markt einen großen Sprung nach vorn gemacht haben. Noch eine Anmerkung zu diesen Thema: Im ersten Blockbuster-Jahr ist unsere Rentabilität durch Investitionen erheblich gesunken, aber nicht das Umsatzergebnis. Das bedeutet, dass Blockbuster ganz neue Kundenschichten in erheblichem Ausmaß erschlossen hatte. Als Blockbuster seine Filialen schloß, hatten wir an diesen Standorten in unseren eigenen Geschäften einen enormen Zulauf an Neukunden. Daran ließ sich erkennen, welches Kundenpotenzial noch brach lag, das sich mit entsprechendem Marketingaufwand mobilisieren ließ. Wenn wir das Marketingbudget dieser Videothekenkette hätten, die soweit ich weiß fünf Millionen Mark in die Werbung gepumpt hat, müßten wir uns nie wieder Sorgen um die Umsätze machen.

VW: Heute spricht die ganze Branche von der Mediathek. Man hat das Gefühl, dass Sie sich mit diesem Begriff nicht so recht anfreunden können?

HL: Der Begriff "Mediathek" wird seit einiger Zeit arg strapaziert. Auch die Kriterien für die Aktion Master Mediathek sind mit etwas zu lasch. Zu einer vernünfigen Mediathek gehört beispielsweise eine Spiele- und DVD-Abteilung mit Verkaufsware im Wert bis zu 500.000 Mark und viele andere Verkaufssortimente. Eine Mediathek, wie ich sie mir vorstelle, ist die Kombination aus einem Medienkaufhaus wie Fnac und einer Videothek mit Verleihprogramm. Eine Mediathek, in der fast nur verliehen wird, betrachte ich nicht als Mediathek. Unter der monte video-Flagge besteht ein einziges Geschäft, das ich als Mediathek bezeichne. Neben dem Medienangebot gibt es dort Gastronomie, Sonnenbank und vieles mehr. Die Menschen halten sich dort im Schnitt sehr viel länger auf als in einer normalen Videothek, auch der Durchschnittspreis pro Kunde ist doppelt so hoch.

VW: Welche Bedeutung hat dem gegenüber die klassische Videothek?

HL: Die Stadtteilvideothek als Nahversorger, die in einem Umkreis von etwa 2,5 Kilometer als Nahversorger ein Gebiet abdeckt, hat immer noch ihre Berechtigung. Solche Geschäfte werden vom Verbraucher nicht beser akzeptiert, nur weil ein Schild "Mediathek" dranklebt.

VW: Wie konkurrenzfähig sind die Videotheken heute?

HL: Der Endverbraucher wird von zwei Entscheidungsphänomenen bestimmt: Das Erlebnis- und Spaßelement sowie der Preis. Bei ersterem sind wir nur bedingt konkurrenzfähig. Dem Kino mit seiner Bild- und Tonqualität können wir nichts entgegensetzen. Mediatheken wie oben beschrieben bieten zumindest eine Art Erlebnis. Das andere ist das Preis/Leistungsverhältnis: Die Unbequemlichkeit, einen Film zu holen und zurückzubringen, müssen wir über den Preis ausgleichen. Mit einem Verleihpreis von drei Mark schaffen wir das sehr gut. Ansonsten gilt, das wir uns den bekannten Herausforderungen stellen müssen. Es gibt immer noch Kollegen, die darauf warten, dass die DVD verschwindet. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst verschwinden, ist viel größer. Am Anfang habe ich mit DVD keine müde Mark verdient. Das sieht heute schon ganz anders aus. Oder Internet: Im Gegensatz zu meinen Kollegen fürchte ich das Internet nicht, weil es bald die Übertragung von Spielfilmen ermöglichen wird. In diesem Spiel müssen wir mitspielen. Ich fürchte es nur, weil es ein zusätzliches Freizeitangebot darstellt, und die Freizeit unserer Kunden begrenzt ist.

VW: Apropos "Spaß". Macht's Ihnen nach all den Jahren noch Spaß?

HL: Wenn's keinen Spaß mehr macht, höre ich auf, das hat mit irgendwelchen Rendite- oder Umsatzzahlen nichts zu tun. Ich denke, Erfolg ist immer eine Folge von Spaß.

Helmut Lechner, GF monte video: "Unbeschreiblich hohe Nachfrage'