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VideoWoche: "Video Buster" klingt sehr nach "Blockbuster". Zufall oder Absicht?

Andreas Grebenstein: Wir haben unseren Namen an Blockbuster angelehnt, weil wir der Meinung waren, dass wir von der Blockbuster-Werbepower profitieren könnten. Dass sie dann nur ein kurzes Gastspiel gegeben haben, hat uns nicht geschadet. Unser Name ist inzwischen gut eingeführt. Ich halte es übrigens nicht für ausgeschlossen, dass Blockbuster in Deutschland einen zweiten Anlauf nehmen wird.

VW: Wer oder was verbirgt sich hinter der Video Buster Entertainment Group?

AG: Die Video Buster Entertainment Group ist eine Holding mit diversen Geschäftsfeldern und Beteiligungen. Die Holding hat 1999 einen Umsatz von 160 Mio. Mark erwirtschaftet, 2000 beträgt der Umsatz voraussichtlich 200 Mio. Mark. Langfristig peilen wir einen Jahresumsatz von einer Mrd. an. Der Videothekenbetrieb trägt bisher nur zu einem kleineren Teil zum Gesamtumsatz bei, was sich aber durch die Transferierung von Mitteln anderer Geschäftsfelder in den Bereich Entertaimment ändern soll.

VW: Welche Geschäftsfelder und Beteiligungen sind in der Holding?

AG: Darüber möchten wir keine Auskunft geben, weil es sich um Beteiligungen handelt, die mit Video nichts zu tun haben. Der Entertainment-Bereich soll allerdings zu einem Kerngeschäft ausgebaut werden. Bis Mitte nächsten Jahres werden unsere innerbetrieblichen Umstrukturierungen so weit abgeschlossen sein, dass wir die Holding-Strukturen nach aussen geben können.

VW: Was sind die spezifischen Merkmale Ihrer Geschäfte?

AG: Zunächst einmal sind unsere Läden von einer Corporate Identity (CI) geprägt. Das bedeutet, das alle Geschäfte hinsichtlich Ladengestaltung, Farbgebung etc. identisch sind. Als Vollsortimenter bieten wir die gesamte Palette dessen an, was man in einer Videothek verleihen und verkaufen kann, also Videos, DVDs, Spiele etc. Die Größe unserer Videotheken liegt zwischen 500 und 800 Quadratmetern. Dabei handelt es sich immer um erstklassige Objekte, die wir sehr gezielt aussuchen. Wir haben jetzt damit begonnen, eigene Grundstücke zu kaufen, auf die wir die nach Maßgabe unseres CI-Gedankens selbst entworfene Baukörper stellen, die optisch wie eine kleine Flugzeughalle wirken. Der erste Store dieser Art wird bereits in Hannover betrieben. Für die Inneneinrichtung haben wir ein Baukastensystem entwickelt, das als Standardlösung für alle Geschäfte dient.

VW: Wie viel investieren Sie in eine neue Videothek?

AG: Pro Filiale investieren wir das drei- bis vierfache dessen, was in eine Standard-Videothek investiert wird. Unsere Ausgaben betragen je nach Standort zwischen 800.000 und einer Mio. Mark.

VW: Wer leitet die einzelnen Filialen vor Ort?

AG: Unsere Läden werden jeweils von einem Filialleiter, beziehungsweise seinem Stellvertreter geführt, die mit einem großen Freiheitsgrad ausgestattet sind. Wichtig ist für uns, dass wir über kurze Entscheidungswege verfügen, und einmal getroffene Entscheidungen nicht in starren Hierarchien versanden. Unser Motto ist "schnell, stark und beweglich".

VW: Gibt es Überlegungen, ein Franchise-System aufzubauen?

AG: Wir haben ein Franchise-Konzept erarbeitet und die Pilotprojekte hierzu sind bereits abgeschlossen worden. Mit dem entgültigen Franchise-Konzept gehen wir erst dann auf den Markt, wenn zu berücksichtigende Modifikationen in unser Konzept eingearbeitet wurden.

VW: Sie beschränken sich nicht auf eine Region, sondern betreiben in der gesamten Republik Videotheken. Wie finden Sie Ihre Standorte?

AG: Für dieses Aufgabengebiet haben wir in unseren Reihen einen Profi-Analytiker, einen ehemaligen Mitarbeiter von BurgerKing. Pro Jahr prüfen wir rund 2000 Angebote für neue Standorte, etwa zehn davon kommen für uns dann in Frage.

VW: Schließt Ihre Standortpolitik auch Wettbewerbsverdrängung mit ein?

AG: Ja, unter der Voraussetzung, dass der Standort aufgrund unserer Analysen optimal ist. Von allen anderen Faktoren machen wir uns frei. Standortpolitik bedeutet in unserem Hause, eine klare Finanzstrategie vor Augen, und die Liquidität im Griff zu haben, eben alles unter rein kaufmännischen und strategischen Aspekten zu entscheiden.

VW: Sie gehen auch Preiskämpfen mit anderen Videotheken nicht aus dem Weg?

AG: Einen Standort muss man sich immer erst erobern. Deswegen gehört es zu unserer Strategie, dass wir Filialen am Anfang subventionieren, in unserer Kalkulation also eine Kostenunterdeckung bei einer Neueröffnung enthalten ist. Vor einer Eröffnung spielen wir immer alle denkbaren Szenarios durch, um von keiner Entwicklung, sei sie ungünstig oder optimal - überrascht zu werden. Wir wissen also immer im voraus, unter welchen Umständen wir zu einem bestimmten Zeitpunkt den Break-Even ereichen. Wenn man so arbeitet, fühlt man sich einfach sicherer.

VW: Dass Sie wegen dieser Arbeitsweise in der Branche teilweise den Ruf eines "aggressiven" Geschäftsmannes haben, wundert Sie wahrscheinlich nicht?

AG: Im Gegenteil, dieser Ruf motiviert mich. Ich mag nicht mehr die Reden hören, in denen viel angekündigt, aber nichts umgesetzt wird. Ich bin eher der Typ, der etwas zu bewegen versucht.

VW: Welche Bedeutung hat bei Video Buster Kopientiefe?

AG: Natürlich ist Kopientiefe auch bei uns ein wichtiger Faktor, aber das Investment muss immer Relation zum Umsatz stehen und für jeden Standort angemessen sein. Entscheidend ist die Umsatzerwartung, die wir für jeden Film über eine Datenbank erheben. Aufgrund unserer Erfahrung schätzen wir die Titel zu 90 Prozent richtig ein. Ich halte nichts von einem emotionalen Bestellverhalten.

VW: Wie organisieren Sie Ihren Einkauf?

AG: Wir haben ein festgelegtes Jahresbudget. In unseren Überlegungen lassen wir uns von drei Faktoren leiten: Konzept des Anbieters und Produktfairness. Dritter Gesichtspunkt, der eine immer wichtigere Rolle spielt, ist, inwieweit die Entscheidungen eines Anbieters, beispielsweise in punkto Auswertungsfenster, das Verhalten unserer Kunden beeinflussen. Darauf müssen wir in Zukunft mehr reagieren. Wir brauchen eine Rechtssicherheit auf unser Investment: Ich fordere zu dieser Problematik klare Stellungnahmen, die in konkrete Verträge mit festgelegten Auswertungsfenstern münden müssen. Leider scheint die Industrie selbst nicht darüber im klaren zu sein, in welche Richtung es gehen soll. Bei Auswertungsverstößen durch Premiere World gibt es Videoanbieter, die immer wieder unangenehm auffallen. Das ist nicht mehr hinzunehmen und sollte auf das Einkaufsverhalten des Handels rückwirken. Das ist auch der Grund, weshalb wir uns an der emp beteiligt haben, um eben auf solche Dinge Einfluss nehmen zu können.

VW: Welche Rolle spielt bei Video Buster Marketing?

AG: Wir verfügen über eine hauseigene Werbeagentur mit sechs Personen, die ständig mit neuen Konzepten beschäftigt ist, und großflächige Zeitungskampagnen, Werbung mit Großleinwänden und andere Konzepte umsetzt.

VW: Wie schätzen Sie die Entwicklung der DVD ein?

AG: Der Markt wird nicht extrem wachsen. Wir schätzen, dass auf Basis eines Verleihumsatzes von 760 Mio. Mark pro Jahr der Verleihmarkt durch die DVD um 20 Mio. Mark steigen kann. Also müssen wir den Einkauf entsprechend dieses Anteils steuern. Wenn der Umsatzanteil der DVD etwa bei sieben oder acht Prozent liegt, dürfen wir nur diese Größenordnungen in die DVD reinvestieren. Ich würde es begrüßen, wenn uns die Industrie beim DVD-Verkauf mehr unterstützen könnte. Wir benötigen eine Verkaufsspanne, mit der man kalkulieren kann, und vor allem ein Retourenrecht, weil es nicht sein kann, dass unser Profit im nicht abverkauften Warenlager liegen bleibt. Die Industrie besitzt bisher zu diesen Fragen wenig Feingefühl, vor allem was die Margen betrifft. Das Problem auf Handelsseite ist, dass wir klassische Verleiher sind, und erst Strukturen für den Verkauf schaffen müssen. Hier sind also beide Seiten gefordert. Ich glaube aber, dass die Videotheken DVDs in einem Volumen von 200 Mio. Mark verkaufen könnten. In einem Verbrauchermarkt ist die DVD ein Produkt unter Tausenden. Deswegen wird das Produkt dort nicht so gut gepflegt. Wir dagegen besitzen die Fachkompetenz, das sollte sich die Industrie zu Nutze machen. Fest steht aber auch, und das Gleiche gilt nicht nur für die DVD: Wir können keine Geschäfte machen, bei denen wir Verluste einfahren: Jede neue Geschäftsidee wird auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft.

VW: Wollen Sie also lieber auf den Verkauf als auf den Verleih von DVDs setzen?

AG: Wir wollen beides gerne machen. Aber der Verkauf von DVDs stellt eine Chance dar, die wir jetzt nutzen können, weil sich die Kunden dafür in unseren Geschäften interessieren. Ich bin der Meinung, dass insgesamt etwa 700 oder 800 Videotheken in Deutschland dazu in der Lage sind, den Verkauf profitabel zu handeln. Die Gefahr ist aber, dass der DVD-Verkauf wieder einschläft, wenn viele Händler merken, dass sie keinen ausreichenden Ertrag damit erwirtschaften.

VW: Welche Bedeutung hat der Verkauf von Produkten überhaupt bei Ihnen?

AG: Einen sehr großen, was sich daran ermessen lässt, dass wir jetzt in unsere Filialen auch Verkaufsstores mit einer Fläche zwischen 100 und 200 Quadratmetern integrieren wollen. In einer Art Shop in Shop-System sollen DVDs, Spiele etc. angeboten werden.

VW: Zu Ihren weiteren Zukunftsplänen. Ihr Internetauftritt sieht für Ihre Ansprüche etwas dürftig aus. Gibt es hier weiterführende Ideen?

AG: Wie sich derzeit zeigt, ist es nicht so einfach mit Internet-Angeboten Geld zu verdienen. Die Frage ist, warum Menschen in der virtuellen Welt mehr Geld ausgeben sollten, als in der realen? Wir haben mit der Entwicklung eines Online-Angebots lange abgewartet, weil wir der Meinung sind, dass man erst einmal in der realen Welt zurecht kommen sollte. Der Zeitpunkt ist für uns aber jetzt gekommen: Gegen Ende des Jahres werden wir mit einer E-Commerce-Lösung als Vollsortimenter an den Start gehen. Wir werden einen Online-Shop aufbauen, in dem Kunden zahlreiche Artikel aus dem Freizeit- und Multimedia-Bereich bestellen können. Die Produktpalette wird größer sein als in den Geschäften. Für Technik und Logistik stehen uns externe Profis zur Verfügung, zum Beispiel aus dem Versand-Geschäft. Internet ist ein Fulltime-Geschäft, Websites müssen ständig interessant gestaltet sein, z.B. durch Show- und Eventelemente. Internet bedeutet für uns ein großes Investment.

VW: Es ist auch die Rede davon, dass Sie eigene Video-Lizenzen erwerben wollen?

AG: Das ist richtig, darüber verhandeln wir derzeit. Allerdings müssen wir in diesem Geschäft erst Erfahrungen sammeln. Das bedeutet, dass wir am Anfang mit "kleinem" Geld einsteigen, und sogar Geld verlieren werden. Wenn wir wissen, wie das Geschäft funktioniert, werden wir den Lizenzhandel weiter ausbauen oder es unterlassen, was jedoch betriebswirtschaftlich analysiert werden wird. Es ist meistens so, dass wir zehn oder zwölf Projekte laufen haben, von denen drei oder vier richtig Cash machen. Die ertragreichen wegen dann forciert, die anderen wandern in die Schublade.

VW: Werden Sie weiterhin so stark in Videotheken investieren?

AG: In unsere 32 Geschäfte haben wir bisher etwa 30 bis 35 Mio. Mark investiert. Aber das ist erst der Anfang, langfristig wollen wir circa 200 Videotheken in Deutschland betreiben. Das geschieht alles auf Basis einer soliden Finanzplanung und wohlüberlegter Strukturen. Wir handeln nicht wie manche börsennotierte Unternehmen, die in Wahrheit keine Perspektive haben.

VW: Das sind ehrgeizige Ziele, wenn man die Marktbereinigung der letzten Jahre vor Augen hat.

AG: Wir glauben, dass es auf absehbare Zeit nur noch 4000 Videotheken geben wird, mit sehr viel weniger Betreibern als heute. Wer überleben will, wird sehr viel mehr investieren und höhere Risiken eingehen müssen sowie einen höheren Arbeitsaufwand haben, um die gleiche Wertschöpfung wie heutezu erhalten. Das werden viele nicht leisten können und deswegen aufgeben.

VW: Von Konkurrenzmedien dürften aber auch Sie nicht gänzlich unbeeindruckt sein?

AG: Natürlich nicht. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Überall dort, wo an unseren Standorten neue Kino-Multiplexe eröffnet haben, mussten wir einen Umsatzrückgang von zehn bis zwölf Prozent verzeichnen. Vor allem an Standorten, wo der Kinomarkt noch unterentwickelt war. Ich glaube aber, dass wir aufgrund der unterschiedlichen Investments - ein Kinobetreiber muss mindestens 20 Mio. Mark in einen neuen Standort investieren - die bessere Ausgangsposition haben.

VW: Und wie sieht es mit Pay-TV, Internet oder Video on Demand aus?

AG: Keine Frage, wir müssen uns gegen viele neue Freizeitangebote behaupten: Klar ist aber, dass das Bruttosozialeinkommen nicht in dem Maße wächst, wie bestimmte neue Märkte wachsen. Das heißt, es wird einen Umverteilungsprozess geben, was die Feizeit der Kunden und ihr verfügbares Einkommen betrifft. Wir müssen also so attraktiv werden, dass die Menschen ihre Freizeit über unsere Angebote gestalten wollen. Es ist nämlich nicht wahr zu behaupten, dass neue Märkte auch immer zusätzliches Umsatzpotential bedeuten. Wie oft möchte ein Mensch einen Film sehen? Wenn er ihn im Kino gesehen hat, ist es schon zweifelhaft, ob er ihn ein zweites oder sogar ein drittes Mal anschauen will. Deswegen sollte sich die Industrie genau überlegen, ob sie beispielsweise Video on Demand unterstützen will: Irgendwann nützen weitere Auswertungsstufen nichts mehr. Ist es nicht wirtschaftlicher drei oder vier Auswertungsstufen vernünftig zu nutzen, als mit irrsinnigen Marketingaufwendungen immer neue Verwertungsketten aufzubauen?

VW: Können Sie anhand Ihrer Auswertungen regionale Unterschiede bei der Umsatzentwicklung Ihrer Geschäfte erkennen?

AG: Selbstverständlich. Den Einfluss des Wetters kann ich beispielsweise anhand der Ergebnisse der einzelnen Filialen sehr gut nachvollziehen. Häufig erkenne ich ein Nord/Süd-Gefälle, also tendenziell schlechteres Wetter im Norden, besseres im Süden. Auch der Beginn der jeweiligen Ferienzeit drückt sich für mich erkennbar in höheren Umsätzen aus.

VW: Gibt es noch andere Einflussfaktoren?

AG: Der Markt ist grundsätzlich sehr sensibel, wir spüren jede noch so kleine Bewegung. Besonders dramatisch war die Situation im September 1999, als wir wegen der Champions-League-Spiele Umsatzrückgänge von 20 Prozent feststellten. Natürlich lässt sich im Einzelfall nicht immer sagen, ob das Wetter, Fußballspiele oder eine neue Werbekampagne von Premiere World die Situation beeinflussen, weil dann mehrere Faktoren zusammenkommen. Fest steht, dass wir zwischen September '99 und Juni 2000 drei bis vier Prozent verloren haben.

VW: Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die "Video rein - Alltag raus"-Kampagne ein?

AG: Emotional finde ich die Kampagne natürlich sehr gut. Abzuwarten bleibt, ob sie sich tatsächlich auf die Umsätze auswirkt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh, dazu etwas zu sagen. Wir werden das anhand der Zahlen über Neukunden erkennen. Wir haben aber bereits seit 1. Juli überdurchschnittlich viele Neuzugänge, 30 bis 40 Prozent gegenüber den Vormonaten. Dass die letzten Wochen gut gelaufen sind, muss nicht unbedingt mit der Kampagne etwas zu tun haben.

VW: Wie stehen Sie zur Sonntagsöffnung?

AG: Grundsätzlich positiv, aber man muss auch sehen, dass die Mitarbeiter nicht überbelastet werden dürfen, man müsste also neues Personal einstellen. Dann müsste sich zeigen, ob der Verleihmarkt durch die Sonntagsöffnung tatsächlich wachsen würde. Wenn er um drei bis fünf Prozentpunkte stiege, wäre es O.K.

VW: So oder so, die Videothek hat für Sie noch eine große Zukunft?

AG: Prinzipiell ja, wenn man über vernünftige kaufmännische Konzepte verfügt und ein Management hat, das sie umsetzt. Ich sage aber auch: Nur wer große Risiken eingeht, hat auch große Chancen. Ich glaube, dass nur sehr wenige diese Chance sehen und sie nutzen können. Sich auch bei Niederlagen zu motivieren, das können nicht viele.

Im Gespräch: Andreas Grebenstein, Video Buster