Blickpunkt:Film

Video

VideoWoche: Was war Ihr spezielles Interesse an diesem Film?


Arthur Cohn: Seit über einem Vierteljahrhundert gab es keinen Film über diese Thematik, obwohl die sich eigentlich aufdrängt. Für die Hollywoodstudios war klar, das ein mit Schauspielern besetzter Film nicht glaubwürdig sei. Deshalb kam mir die Idee, mit Regisseur [Kevin Macdonald](/person/kevin-macdonald) einen authentischen Film zu machen, in dem alle Protagonisten, die 1972 eine Rolle spielten, quasi die Hauptrollen übernehmen - wie der damalige Innenminister Genscher, der Münchner Polizeichef Schreiber, Mossad-Chef Zwi Zamir oder Geiselnehmer Jamal Al Gashey.


VW: Inwieweit sind Sie in Ihre Produktionen involviert?


AC: Von A bis Z! Ich habe immer einen intensiven Draht zum Regisseur, würde mit allen gern wieder zusammenarbeiten. Dem Drehbuch gebe ich 50 Prozent meiner Zeit, denn ein schlechtes Drehbuch kann vom besten Regisseur nicht gerettet, ein gutes vom schlechtesten nicht kaputtgemacht werden. Ein guter Produzent muss den Film begleiten, von der Drehbuchphase über den Schnitt bis zur Vermarktung. Leider sind viele Produzenten für Studios nur bessere Herstellungsleiter.


VW: Sie finanzieren Ihre Filme durch private Geldgeber…


AC: Dann stehe ich nicht unter Druck, den Film zu einem bestimmten Termin starten zu müssen und kann ihn rausbringen, wenn ich ihn für fertig halte. Bei "Ein Tag im September" dauerte die Produktion zwei Jahre und vier Monate. Es war nicht nur zeitaufwendig, die Leute zu bekommen, sondern auch die, leider sehr teuren, Rechte für die Musik von damals. Musik unterstützt die Authentizität.


VW: In den USA wurde "Ein Tag im September" zuerst mit beachtlichem Erfolg auf HBO ausgestrahlt.


AC: Trotzdem hat Sony Classics den Film in den USA im Kino herausgebracht. Normalerweise ist der Weg umgekehrt, erst Kino, dann Video, DVD und TV.


VW: Welche Relevanz hat die DVD-Auswertung für Sie?


AC: Bei der DVD-Auswertung kommt es vor allem darauf an, wie viel Enthusiasmus die Firma, welche den Film auswertet, für den zu vermarktenden Film aufbringt. Im Fall von Concorde Video war dies für mich ein riesiger Glücksfall, denn deren Crew ist mit unglaublichem Elan und echter Begeisterung bemüht, Interesse für "Ein Tag im September" bundesweit zu fördern. Ich bin sehr zufrieden mit der Werbekampagne.


VW: Was war die größte Herausforderung?


AC: Alle Protagonisten von 1972 vor die Kamera zu bekommen. Seltsamerweise war dies am einfachsten bei dem überlebenden Terroristen, als wir ihn endlich in Afrika gefunden hatten.


VW: Sie können sich vor Ehrungen kaum retten: Sechs Oscars, "Star of Fame" auf dem Hollywood-Boulevard, "Golden Globes", fünf amerikanische Filmkritikerpreise, zwei "Goldene Bären" in Berlin und jetzt die "Goldene Kamera".


AC: Jede Ehrung ermutigt mich, Filme zu machen, an die man sich erinnern kann, eigene Wege zu gehen und etwas zu bewegen.


VW: Wie entscheiden Sie sich für ein Projekt?


AC: Es müssen ungewöhnliche Projekte mit meiner eigenen Handschrift sein, die kein anderer macht, keine dieser üblichen Komödien, Western oder Actionfilme. Nach sechs Oscars ist der Erwartungshorizont enorm, ich kann mir nicht leisten, mit einem Fehltritt meinen Namen zu gefährden. Ich habe meistens drei Projekte im Kopf, damit ich eins realisiere. Jedes Projekt hat eigene Gesetze. Manche trage ich schon seit acht Jahren mit mir herum, manchmal ist die Realisierung eine Frage von Zeit und Glück. Man darf nichts pushen im Leben.


VW: Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken, was war für Sie persönlich der wichtigste Film?


AC: Zu jedem Film entwickle ich eine persönliche Beziehung, betrachte ihn als mein "Baby". Es ist eine Genugtuung, wenn sie nach all den Schwierigkeiten und Enttäuschungen, so gut ankommen. Man kann keinen mit dem anderen vergleichen. Oft ärgert es mich, wenn ein Film erst nach einem Oscar Aufmerksamkeit bekommt. Die europäischen Verleiher und Kinobesitzer sind sehr amerikaträchtig, lassen sich enorm beeinflussen vom Erfolg in Amerika. Deshalb achte ich darauf, dass meine Produktionen in den USA gut ankommen. Die Ausgangslage für unabhängige Produzenten ist schlecht, Budget und Herstellungskosten gehen hoch und höher, Schauspielergagen bis zu 20 oder 30 Mio. Dollar treiben die Kosten. Wenn Kinobesitzer weltweit die "Lokomotiven" wollen, müssen sie auch andere Filme im Paket nehmen. Das führt dazu, das die Kinos mit amerikanischem Mainstream vollgestopft sind und - leider, leider - subtile, fragile, kleine Kunstfilme oft auf der Strecke bleiben.

Interview mit Oscar-Gewinner Arthur Cohn