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Nach „[Unorthodox](/tvshow/unorthodox)“ hat [Anna Winger](/person/anna-winger) mit ihrer in Berlin ansässigen Firma [Studio Airlift](/company/studio-airlift-gmbh) auch „Transatlantic“ für Netflix realisiert – eine ungewöhnliche siebenteilige Miniserie, die im Jahr 1940 spielt, aber viele Bezüge zu der Welt hat, in der wir heute leben. Übermorgen geht sie an den Start.

**„Transatlantic“ erzählt eine faszinierende Episode aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Was hat Sie daran interessiert?**

ANNA WINGER: Bevor die Vereinigten Staaten in den Krieg eingriffen, im Jahr 1940, gab es im Süden Frankreichs eine Art Freizone, die ein Quell unglaublicher Geschichten ist; darunter die Rettung von Künstler:innen, Intellektuellen und vielen anderen Geflüchteten durch das Emergency Rescue Committee. Wenn man erst einmal anfängt, sich damit zu beschäftigen und zu recherchieren, gibt es so viel zu entdecken. Die größten Persönlichkeiten der Kunst und viele Intellektuelle waren vor Hitler nach Marseille geflohen, darunter Andre Breton, Hannah Arendt, Marcel Duchamp, Max Ernst und Marc Chagall. Da sich unter den Geretteten so viele Schriftsteller:innen und Künstler:innen, befanden, kommt es einem so vor, als habe jeder, der zu der Zeit in Marseille war, etwas über seine Erfahrung verfasst. Auch wenn die Geschichte doch relativ unbekannt ist, gibt es zahllose Memoiren, Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke, die diese spezielle Zeit an diesem speziellen Ort beschreiben, dass man sie kaum bewältigen kann. Aber es lohnt sich. Wenn man sich intensiv damit beschäftigt, entsteht aus dieser Vielzahl von Perspektiven ein Kaleidoskop, ein Art Prisma. Es war wie eine Einladung, nun auch unseren erzählerischen Ansatz beizusteuern, weil diese realen Ereignisse längst schon in den Raum des Fiktionalen überführt worden sind. 

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**Wie haben Sie aus all den bestehenden Erzählungen und Berichten das herausgefiltert, was Sie erzählen wollten? Wie haben Sie dem Ihren eigenen Dreh gegeben, Ihre eigene Form gefunden?**

ANNA WINGER: Ich war auf die Geschichte von Varian Fry und das Emergency Rescue Committee durch meinen Vater aufmerksam geworden und fing an zu recherchieren, weil ich die Umstände und die Zeit besser verstehen wollte. Mehr und mehr wurde mir bewusst, wie relevant und spannend es war, was in Marseille unmittelbar nach dem Sturz von Paris vor sich ging. Oft ist es so, dass man erst einmal eine Situation breit anlegen muss, aus der sich dann Figuren ergeben, mit deren Hilfe wiederum man dann eine Handlung finden und verdichten kann. Tatsächlich hatten wir eine so große Auswahl an aufregenden Figuren, dass wir eine Entscheidung treffen mussten, wen wir in den Mittelpunkt rücken wollten. Mir gefiel die Idee, die Geschichte verstärkt an deutschen Geflüchteten aufzuhängen, weil man auf diese Weise das gängige Narrativ klassischer Zweiter-Weltkriegs-Geschichten auf den Kopf stellt: Die Geflüchteten sprechen deutsch, die Gegenspieler sitzen im amerikanischen Konsulat und der französischen Polizei. Das sorgt für einen ganz eigenen, unerwartete Wendung. Es ist wie ein Gegenpol zu dem, was man uns über den Zweiten Weltkrieg beigebracht hat. Amerika hat sich lange dagegen gesträubt, in diesem Krieg aktiv zu werden, hat sich geweigert, Geflüchtete aufzunehmen. Das war kein stolzer Augenblick in der Geschichte der USA. 

**Als belehrend empfand ich „Transatlantic“ aber nicht.**

ANNA WINGER: Das soll die Serie ja auch nicht sein. Wir erzählen eine Geschichte, die auf historischen Fakten beruht, die aber auch unterhaltsam sein soll. Unsere Absicht war es, „Transatlantic“ so zu realisieren, dass die Serie wie ein Film aus dieser Zeit wirkt – eine Hommage an die großen Screwball-Melodramen der Dreißiger- und Vierzigerjahre - ein bisschen wie „Casablanca“ oder Filme von Ernst Lubitsch. Ich finde es immer noch unglaublich, wie die Autoren dieser Zeit, viele von ihnen selbst Geflüchtete, in der Lage waren, in dem Moment, als all das geschah, die historische Tragweite der Ereignisse zu erkennen und in Geschichten umzusetzen. Oftmals mit einem sehr klugen Humor, der wirkt, als könne man dem Schrecken dieser Zeit nur auf diese Weise die Stirn bieten.  

!["Transatlantic" erzählt eine heroische Geschichte aus dem Marseille von 1940 (Foto: Netflix)...

Anna Winger über ihre Netflix-Miniserie „Transatlantic“: „Es ist unser Baby“