Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Nach "[Collateral Damage](/movie/collateral-damage)" überraschen Sie mit einem Kinder- und Familienfilm.

Andrew Davis: Schon mein erster Film "Stony Island" handelte von Teenagern. Da ich als Kameramann bei Actionfilmen Erfahrungen gesammelt hatte, bin ich als Regisseur in dieses Genre reingerutscht. Die Filme brachten Geld in die Kasse. Aber "Auf der Flucht" und "Das Geheimnis von Green Lake" liegen nicht so weit auseinander. Beide handeln von Ungerechtigkeit. Louis Sachars Roman wendet sich an junge Menschen und gibt ihnen Einblick in Geschichte - für die meisten 'Terra incognita'.

BF: Mit drei Handlungsebenen haben Sie sich an eine komplizierte Struktur gewagt.

AD: Eine ziemliche Herausforderung. Aber mit Louis Sachar als Drehbuchautor kriegten wir die Kurve. Der Knackpunkt lag in filmgerechter Umsetzung und Verbindung der einzelnen Geschichten. Einiges war schon im Drehbuch angelegt, viel entschieden wir dann am Set oder im Schneideraum. Improvisation war wichtig.

BF: Kommt es nicht zu Konflikten, wenn der Romanautor auch das Drehbuch schreibt?

AD: Louis Sachar war anfänglich nervös, weil er Horrorstorys von Autoren hörte, die ihre Rechte verkauften. Aber er wollte aus seinem erfolgreichen Buch einen guten Film machen. Die Zusammenarbeit gestaltete sich friedlich und kreativ.

BF: Nach Stars wie [Arnold Schwarzenegger](/person/arnold-schwarzenegger) oder [Gene Hackman](/person/gene-hackman) arbeiteten Sie hier mit Kindern. Eine große Umstellung?

AD: Die Kids inspirierten die Erwachsenen und umgekehrt. Shia LeBeouf ist schon ein großer Profi, er setzte den Standard für die anderen Kids. Alle waren total bei der Sache und manchmal ging es ziemlich wild zu, obgleich wir in der Wüste westlich des Death Valley mit Wind, Staub und Hitze zu kämpfen hatten.

"Figuren und Inhalt zählen kaum noch"

BF: Erleichterte der Bucherfolg die Finanzierung?

AD: Louis Sachar ist der Mick Jagger der Kinderliteratur. Die Kids werden mit seinen Büchern groß. Ich stecke mit meiner eigenen Produktionsfirma in dem Projekt und fand mit Walden Media einen auf pädagogisch relevantes Material für junge Menschen spezialisierten Partner. Als dann noch Disney in die Produktion einstieg und die Weltrechte erwarb, war das Projekt in trockenen Tüchern. Michael Eisner empfand es sicherlich auch als Kompliment für Disney, dass die "New York Times" "Das Geheimnis von Green Lake" als besten Film des Jahres pries.

BF: Werden Sie zum Actionfilm zurückkehren oder sich künftig auf kleinere Projekte spezialisieren?

AD: Erst einmal lasse ich die Finger von Actionfilmen. Meine Filme waren erfolgreich und bezogen ihre Spannung auch aus ihrer Beziehung zur Realität. Heute erinnern viele Filme mit ihren digitalen Effekten an Videospiele. Figuren und Inhalt zählen kaum noch, es fehlt das Herz. Hollywood befindet sich im Wandel. Die teuren Stars spielen das Geld nicht mehr ein. Ein kostengünstiger Film ohne Stars kann ertragreicher sein. Auf der anderen Seite verlangt das Publikum nach Glamour. Eine schwierige Situation.

BF: Welche Tendenz ärgert Sie am meisten?

AD: Diese Globalisierung von Reißbrettfilmen, genormt für Erfolg in Ländern von USA über Japan bis Deutschland. "Auf der Flucht" hätte unter diesen Bedingungen überhaupt nicht entstehen können. Wir genossen eine große Freiheit, konnten viel improvisieren. Inzwischen reduzieren sich die Chancen der kleinen, intelligenten Filme. Sie erhalten weniger Aufmerksamkeit. Ich freue mich, wenn ein solcher Film mal die Regel bricht. Dieses reine Geldscheffeln nervt mich. Wenn ich daran denke, dass die Academy keine DVDs mehr verschicken will, werde ich wütend. Natürlich beeindruckt ein Film auf der Leinwand mehr, aber die im Land verstreut wohnenden [Academy](/company/academy-of-motion-picture-arts-and-sciences)-Mitglieder können schon aus zeitlichen Gründen nicht nach Los Angeles oder New York zum Screening.

BF: Haben Independent-Produktionen in der Masse des Mainstreams überhaupt eine Kinochance?

AD: Mein Regiedebüt "Stony Island" kostete 1978 nur 300.000 Dollar. Die Zeiten sind vorbei. Jeder, der weiß, wie eine Videokamera funktioniert, will Filme machen, egal ob er mit Schauspielern arbeiten kann oder nicht. Sundance erstickt an 3000 Filmeinreichungen. Ich hoffe, dass die Zeit reif ist für anspruchsvolle Filme. Ich möchte Geschichten über das menschliche Zusammenleben erzählen und bin überzeugt, dass es einen Hunger nach ehrlichen Filmen ohne Narzissmus, Gewalt oder Zynismus gibt.

Andrew Davis über "Das Geheimnis von Green Lake"