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Blickpunkt:Film: Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Programme?

Rachel Innes-Lumsden: Es gibt eine lange Tradition der "Leisure & Lifestyle"-Programme bei der BBC. Die erste Kochsendung wurde z. B. bereits in den späten 40er Jahren ausgestrahlt. In den vergangenen Jahren ist aber ein zunehmender Bedarf an etwas Neuartigem in diesem Genre entstanden. Es geht nicht mehr nur darum, wie man im Garten arbeiten kann oder wie man seine Wohnung dekoriert. Die Zuschauer wollen Lifestyle-Programme, die noch mehr auf ihr alltägliches Leben zugeschnitten sind. Deshalb beschäftigen wir uns jetzt auch mit Themen wie Autos, Mode, Freundschaft, Dating oder Geld. Die Palette der Themen ist vielfältiger geworden.

Nick Thorogood: Wir sehen uns auch sehr intensiv andere Medien außerhalb des Fernsehens an. Wenn beispielsweise viele Leute ein monatliches Magazin zu einem bestimmten Thema kaufen, sollte dieses Thema auch für uns relevant sein.

BF: Was unterscheidet Ihre Programme von den umstrittenen Reality-Shows?
NT: Reality ist in Großbritannien deutlich im Abwind. Das Problem bei diesen Programmen ist, dass die Zuschauer immer darauf warten, dass jemand Sex hat. Das passiert aber meistens gar nicht. Man muss sich auch immer fragen, wie weit man, bei dem was man zeigt, noch gehen kann. Die Quoten der vierten Staffel von "Big Brother" sind in Großbritannien deutlich eingebrochen. Das reale Leben ist nun einmal langweilig, oder wie wir in England sagen, so interessant wie Farbe beim Trocknen zusehen. Es muss uns also darum gehen, das Trocknen von Farbe auf interessante Weise darzustellen.

RIL: Wir stellten vor einiger Zeit fest, dass die Popularität unserer Freizeit-Shows abnahm. Was nicht zuletzt daran lag, dass sie sehr informationsorientiert waren. Die Leute wollen zwar Informationen, suchen aber noch etwas mehr. Mittlerweile tendieren wir in Richtung "Infotainment" und verbinden die dargebotenen Fakten mit einem hohen Unterhaltungswert. Die Kochshow von Jamie Oliver ist sicherlich ein sehr gutes Beispiel. Selbst Leute, die sich für das Kochen nicht interessieren, fühlen sich von Jamie gut unterhalten. Ähnlich verhält es sich z. B. mit der Modeberatungs-Sendung "What not to wear", die bemerkenswert viele männliche Zuschauer hat. Der Reiz hierbei ist, dass die Kandidaten von ihren Freunden angemeldet und dann überraschend besucht werden.

BF: Welches sind Ihre erfolgreichsten Programme?

RIL: Die Programme, die zwischen 20 und 21 Uhr auf BBC 2 laufen, werden von drei bis fünf Mio. Zuschauern gesehen. Wir haben auch große Erfolge in der Daytime auf BBC 1. Vor einigen Jahren gab es hier noch einen sehr harten Marktanteilskampf zwischen BBC 1 und ITV, den die BBC mittlerweile klar für sich entschieden hat. Ausschlaggebend war die Hinwendung zu Lifestyle-Formaten wie "Housecall", das zudem mit 25.000 Euro Produktionskosten noch außerordentlich günstig ist.

BF: Wie kommen Ihre Programme im Ausland an, z. B. in Deutschland?

NT: Wir investieren viel Zeit und Geld, um Lifestyle-Formate für den britischen Markt zu entwickeln. Natürlich lernen wir dabei auch aus unseren Fehlern und optimieren unsere Programme. Wenn ich mir den deutschen Markt anschaue, denke ich, dass viele unserer Ideen auch hier funktionieren könnten. Als Adaption kommt "Great Britons" demnächst als "Unsere Besten" ins [ZDF](/company/zdf-zweites-deutsches-fernsehen). Jamie Olivers "The Naked Chef" läuft ja bereits erfolgreich bei [RTL II](/company/rtl2-fernsehen).

BF: Wie erklären Sie sich den großen Erfolg von Jamie Olivers Kochsendungen?

NT: Jamie hat die Regeln der traditionellen Kochsendungen konsequent gebrochen. Er kocht mit sehr viel Leidenschaft. Und darum geht es auch in allen Kochsendungen, die ich für BBC Food produziere. Wir wollen nicht zeigen, wie man mit einem Paket Fischstäbchen eine vierköpfige Familie ein Woche lang ernähren kann. Das Kochen soll bei uns als Erlebnis dargestellt werden. Die Leute daheim kochen unsere Rezepte eher nicht nach. Sie sitzen vor dem Fernseher und sehen sich die Zubereitung einer fantastischen Mahlzeit an, während sie ihr Käse-Sandwich essen. Es ist also eine Art "Gastro-Pornografie".
BF: In welchen Ländern sind Ihre Programme noch erfolgreich?

RIL: Unsere jüngsten Erfolge haben wir in den USA gefeiert. Wir haben ein Büro in New York gegründet und produzieren amerikanische Adaptionen von Formaten wie "What not to wear". Diese Shows kommen beim US-Publikum sehr gut an.

NT: Wir haben außerdem Lifestyle-Programme nach Kanada, Australien, Südafrika, Skandinavien, Osteuropa und Nordafrika verkauft.

BF: Welche Rolle spielt Interaktivität in ihrem Konzept?

RIL: Wir führten z. B. für eine Show namens "Nation's Favourite Food" eine Online-Umfrage unter den Zuschauern durch, womit wir deren Lieblingsgerichte ermittelten. Auch Online-Chats in Verbindung mit unseren Programmen gibt es regelmäßig. Bei "Housecall" können die Zuschauer interaktiv per Telefon die Veränderungen am Haus bestimmen.

NT: Zu "Antiques Roadshow" haben wir ein interaktives Quiz entwickelt, bei dem die Zuschauer die Preise der gezeigten Antiquitäten schätzen können.

BF: Warum entstehen so viele erfolgreiche Entertainment-Programme in Großbritannien?

RIL: Die BBC produziert seit den 50er Jahren Entertainment-Fernsehprogramme. Man kann also auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Auch der Konkurrenzkampf mit ITV hat das Genre belebt. ITV war lange Zeit der führende Sender im Entertainment-Bereich, ehe die BBC eine Gegenoffensive gestartet hat.

NT: Uns kommt bei der BBC auch der konsequente Ausbau des digitalen Multikanal-Angebots zu Gute. In diesem Umfeld hat man viele Möglichkeiten für Experimente. Wir verstehen jetzt auch den Wert von Formaten besser. Der Prozess, gute Ideen in funktionierende Formate umzusetzen, ist perfektioniert worden.

BF: Welche neuen Formate sind in der Entwicklung?

RIL: Wir planen u. a. für die Primetime ein Doku-Reihe über Immobilienmakler und eine Show mit dem Titel "How much do you earn?"

NT: Für uns steht auch eine neue Form der Magazinsendung auf dem Plan, wobei wir auf extravagante, überraschende Moderationen setzen wollen. Auch im Bereich der "Vorher-Nachher"-Shows werden wir neue Formate entwickeln, da dieses Genre bei den Zuschauern äußerst beliebt ist.

BBC Lifestyle: Mit "Gastro-Pornografie" zum Erfolg