Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt: Film: Wie einfach oder wie schwer war es, ein kirchliches Thema wie die Inquisition bei einem Sender unterzubringen?

Regina Ziegler: Da es sich um ein aufwändiges Thema handelt, bei dem man nicht auf Archivmaterial zurückgreifen kann, musste diese Dokumentation anders angegangen werden. Das Recherchematerial sowie den Zugang zum Archiv der Kongregation für Glaubensfragen - der Nachfolgeorganisation der Inquisition - und zum Vatikan selbst zu erhalten, war schon sehr kompliziert. Das Material, das wir aus dem Archiv bezogen, war Grundlage für die Interviews und zentralen Spielszenen der Dokumentation. Die Kosten überstiegen das normale Budget einer Dokumentation, u.a. auch deshalb, weil wir mit dem Vatikan einen Vertrag über die exklusive Nutzung bis Ende 2002 abgeschlossen hatten und die Spielszenen sich als sehr aufwendig erwiesen.

Finanzielles Risiko nicht gebannt

Für [Ziegler Film](/company/ziegler-film) war es ein großes finanzielles Risiko, sich zu einem Zeitpunkt für den Beginn der Produktion zu entscheiden, als sie längst noch nicht finanziert war. Wir hatten lediglich die Absichtserklärung des damaligen Programmdirektors des ZDF, [Markus Schächter](/person/prof-markus-schaechter). Die [MDM](/company/mitteldeutsche-medienfoerderung) kam hinzu, [Telepool](/company/telepool) als Weltvertrieb und Media Plus. So haben wir die Finanzierung aufgebaut. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht wirklich, was es kosten würde, da sich durch die ständige Recherche mit z.B. Wissenschaftlern wie Peter Godman erst weitere Teile der Dokumentation ergeben haben. Mit der Realisation der Produktion sind Erfahrung, Kosten und die Vorstellungen über ihr späteres Aussehen gewachsen. Aber wir haben von Anfang an gesagt, dass wir dieses Thema entsprechend aufbereiten und es nicht an den Kosten scheitern lassen. Telepool hat das Programm auf der letzten Mipcom vorgestellt und wir haben bereits in zehn Länder verkauft, dennoch ist unser finanzielles Risiko längst noch nicht gebannt.

BF: Wie sehr muss man als Autor selbst in Religion involviert sein, um eine solche Dokumentation zu machen, denn letztendlich ist Religion Mystik und nicht Wissenschaft?
Yury Winterberg: Das Team war vorwiegend nicht-katholisch. Insofern war die Arbeit an der Dokumentation einfach. Denn es ist charakteristisch für den Vatikan, dass sich die Kontrollmechanismen auf die eigenen Gläubigen richten und kaum auf Außenstehende. Nicht ganz zufällig war die Hauptaufgabe der Inquisition, über die Reinheit des katholischen Glaubens zu wachen.

BF: Wie schreibt man nun ein Drehbuch für eine Dokumentation, die einerseits auf dem Buch "Die geheime Inquisition" von Peter Godman basiert aber auch auf Eigenrecherche?

YW: Peter Godman ist Philologe und Historiker. Sein Buch ist sehr materialreich und als Sachbuch so nicht verfilmbar. Wir haben beschlossen, uns auf wenige starke und zugleich gebrochene Figuren zu konzentrieren, mit denen man beim Zuschauer emotionales Interesse wecken kann, weil sie nicht eindimensional sind. Die Eigenrecherche bezog sich in erster Linie auf die Lebens- und Denkgewohnheiten der damaligen Zeit, die man natürlich vermitteln muss. Für die szenischen Umsetzungen mussten wir heraus finden, wie die Prozesse wirklich vonstatten gingen. Ein Großteil der in den Spielszenen gesagten Sätze stammt aus Dokumenten der entsprechenden Zeit.

BF: Die drei Teile umfassen eine Spanne von etwa 460 Jahren. Wie teilen sie sich auf?

YW: Es geht ausschließlich um die römische Inquisition, nicht um die spanische, die man in der Regel meint, wenn von Inquisition die Rede ist. In Teil 1 gehen wir der Frage nach, warum die Katholische Kirche die Inquisition überhaupt brauchte, nämlich als Reaktion auf die Reformation, den Buchdruck, den Zerfallsprozess in der eigenen Kirche. Dies verdeutlichen wir, indem wir der Figur des Großinquisitors Giulio Santori folgen, der 50 Jahre lang die Inquisition geprägt hat.

"Ratzinger war in seiner Jugend ein Kirchenrebell"

Im zweiten Teil springen wir ins Zeitalter der Aufklärung. Es geht um eine sehr gegenwärtige Auseinandersetzung, durch die wir verstehen lernen, wie repressive Systeme, die es in ähnlicher Form noch gibt, funktionieren - und wie es schier unmöglich ist, sie zu reformieren, selbst wenn man der allmächtige Papst ist. Im dritten Teil geht es um die Inquisitions-Nachfolgerin, die von Kardinal Ratzinger geleitete Glaubenskongregation. Ratzinger war in seiner Jugend ein Kirchenrebell und ist jetzt zum Chef dessen geworden, was er einst bekämpfte. In diesem Teil haben wir weitgehend auf Spielsequenzen verzichtet und mit spektakulären Interviews gearbeitet.
BF: Die im dritten Teil genannten Beispiele lassen sich als "linke Bestrebungen" subsumieren. Der rückwärts gewandte französische Kardinal Lefebvre, der sogar ein Schisma erzwang, war doch auch ein Fall für die Inquisition?

YW: Er war in der Tat ein Fall für die heutige "Inquisition". Aber wir mussten uns aufgrund des Platzes beschränken. Die Glaubenskongregation räumte Lefebvre viel mehr Chancen ein als anderen, bevor er verurteilt wurde. Man kann der Kirche nicht vorwerfen, dass sie sich mit Themen wie der Befreiungstheologie oder Kondomen im Zusammenhang mit AIDS beschäftigt, sondern dass sie den Betroffenen das Recht auf eine echte Verteidigung verweigert. Uns war es wichtig, prägnante Fälle zu schildern, an denen deutlich wird, wohin die Auswüchse dieses Systems führen können.

BF: Wie war die Zusammenarbeit mit Kardinal Ratzinger?

RZ: Ich habe Kardinal Ratzinger persönlich das Projekt vorgestellt. Ich empfand ihn als sehr charmant und sehr unterhaltsam. Wir haben uns lange über die Dokumentation unterhalten und er hat, ohne sich Bedenkzeit zu erbitten, spontan und verbindlich zugestimmt.

BF: Für wie wichtig halten Sie die Beschäftigung mit Religion für unsere Gesellschaft?

RZ: Die Beschäftigung mit Religion wird mehr und mehr zu einer nicht nur interessanten Frage mit dem Blick auf die vergangene Zeit. Vielleicht kann man heute schon von einer Renaissance religiösen Interesses und religiöser Fragen sprechen. Je unsinniger sich Dinge entwickeln, desto mehr stellen sich Sinnfragen.

Dreiteiliges Dokudrama über die Inquisition im ZDF