Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Programmdirektor [Günter Struve](/person/dr-guenter-struve) und Fernsehfilmkoordinator [Ulrich Deppendorf](/person/ulrich-deppendorf) lobten einhellig, dass "Speer und Er" ganz besonders dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entspräche.

Heinrich Breloer: Ich bin fast vor Scham unter die Bank gekrochen, als mich die hohen Herren so gelobt haben.

Horst Königstein: Es ist eine Freude zu hören, dass die ARD in der Herstellung solcher Filme, die gewagte Expeditionen in Menschenseelen sind, ihre Kernaufgabe sieht.

BF: Trotzdem ist es sicher nicht leicht gewesen, so ein Projekt durchzusetzen.

HB: "Speer und Er" war von meinen Projekten am leichtesten durchzusetzen.
HK: Es war dennoch schwierig, und die Erwartung, dass Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen, d.h. die Quoten auch noch gut sind, ist groß. Aber wir stellen uns der Herausforderung.

BF: War nach den vielen Auszeichnungen für "Die Manns" der Druck besonders hoch?

HK: Ja, aber den Druck hätten wir uns auch selbst gemacht. Machen wir uns immer.

BF: Wie sieht Ihre Zusammenarbeit aus?

HB: Horst ist vor allen Dingen mein allerkompetentester Spiegel. Er kennt die Dokumente nicht, ich schreibe die Dialoge aus, wir besprechen die Dramaturgie, E-Mails gehen hin und her, dann machen wir eine große Sitzung. Später kommt er in den Schneideraum, und wir diskutieren wieder. Im Unterschied zu anderen Regisseuren bin ich jeden Tag von morgens bis abends im Schneideraum, weil der Film dort noch einmal neu entsteht.

BF: Ist mit dem Budget von zwölf Mio. Euro für eine "offene Form", wie Sie die von Ihnen entwickelte Mischung aus Spielszenen und dokumentarischem Material nennen, die Grenze erreicht?

HK: Eindeutig. Wir mussten immer wieder Szenen streichen, es gibt drei oder vier Bilder, die ich vermisse.

BF: Hat Sie "[Der Untergang](/movie/der-untergang)" beeinflusst, mit dem es ja inhaltliche Schnittmengen gibt?

HB: Wir haben vor "Der Untergang" angefangen und wussten auch früh von dem Film, weil der [WDR](/company/westdeutscher-rundfunk-wdr) als Partner bei beiden dabei gewesen ist. Ich bin mir mit Bernd Eichinger einig gewesen, dass es zwei völlig verschiedene Filme sind. Dennoch wird es sicher zu einem Vergleich kommen.
HK: Ich wollte den Film nicht sehen, bevor wir mit unserem Projekt fertig sind. Wir kannten die Filme, die es über die letzten Tage der Reichskanzlei gibt. Ich war immer der Meinung, dass man nicht besser sein kann als "[Der Letzte Akt](/movie/der-letzte-akt)" von [Georg Wilhelm Pabst](/person/georg-wilhelm-pabst) mit [Albin Skoda](/person/albin-skoda) als Hitler.

BF: Wollten Sie einen aktuellen Bezug herausarbeiten?

HB: Albert Speer war ein Herr mit vielen Masken. Der Zuschauer wird in einen Erzählprozess verwickelt, in dem wir versuchen, herauszufinden, wer er wirklich war. Albert Speer war ein Mann mit einer weichen Oberfläche, darunter aber knallhart. Der Managertyp. Eine moderne Figur. Die Speers sind noch unter uns.

BF: Würden Sie sagen, dass Biografen wie Joachim Fest ihm mehr oder weniger auf den Leim gegangen sind?

HB: Joachim Fest hat ihn eine zeitlang sicher sehr gemocht. Ich habe Albert Speer 1981 kennen gelernt, er war sehr sympathisch. Ich habe verstanden, dass er einen für sich gewinnen konnte, vor allem, wenn er ihnen solche Projekte anbietet, wie eine Biografie. Ich meine, jeder setzt doch gerne eine Sonde zur Titanic in Bewegung und fährt um die Titanic herum. Speer war die Sonde, mit der man um Hitler herumfahren konnte und Bilder bekam. Endlich! Von dem versunkenen Hitler! Grandios!

BF: Der Faszination Speers widmen Sie auch einen vierten Teil, der am 12. Mai um 23.30 Uhr ausgestrahlt wird. Was hat es damit auf sich?

HB: Wir nennen es ein Nachspiel, eine Dokumentation, in der gezeigt wird, wie es möglich war, dass Speer als Kriegsverbrecher aus Spandau kam und ein Medienheld wurde. Sein Biograf Wolf-Jobst Siedler hat es ihm so erklärt: "Sie sind der Engel der aus der Hölle kam." Plötzlich hieß es, er war so dicht bei Hitler und hat nicht gewusst, dass es Auschwitz gab. Aber Sie sehen in "Speer und Er", er hat die Pläne und die Baukontingente für Auschwitz gebilligt. Hat er dreist gelogen oder hat er verdrängt? Es waren zu viele Fragen offen, die sich im Laufe der drei Jahre Arbeit an "Speer und Er" ergeben haben. Das Nachspiel ist also, wenn sie so wollen, eine gewaltige Fußnote.

"Druck machen wir uns immer selbst"

BF: Diese Fußnote wird vermutlich am meisten für Diskussionen sorgen.

HB: Das nehme ich an. Aber wir sind noch nicht am Ende mit der Forschung. Ich konnte mit diesen Filmen den Tanker Speer, der als Weltbestseller über die Weltmeere dümpelt und sich überall ins kollektive Bewusstsein einfräst, das Hitler-Bild bestimmt, das Speer-Bild bestimmt, in der Öffentlichkeit anhalten, und jetzt müssen die Wissenschaftler diesen Tanker auseinander schweißen und zerlegen.

BF: Ist das Thema für Sie abgeschlossen?

HB: Ich mache keinen Film mehr über Speer. Es hat mich Nervenkraft genug gekostet, diesen Herrn der 1000 Masken zu erforschen. Ich gehe jetzt zu einem anderen Thema über.

Heinrich Breloer und Horst Königstein über "Speer und Er"