Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was macht im Filmgeschäft nach 50 Jahren immer noch Spaß?


Franz Seitz: Alles, sonst würde ich nicht hier sitzen. Im Augenblick ist die Lage nur insofern schief, als die Vorkosten viel zu hoch sind bei einem Film und der Produzent mit dem Ofenrohr ins Gebirge schaut. Bevor er beteiligt ist und nur eine Mark verdient, rechnen Theaterbesitzer und Verleiher ihre Prozente ab.


BF: Was benötigt man, um diese lange Zeit als Produzent unbeschadet zu überstehen?


FS: Vor allem gute Nerven und gute Laune. Wenn man beim Film Karriere machen will, muss man immer das Doppelte tun von dem, was verlangt wird und man muss es noch gern tun. Es gab aber auch Krisen: Ende 1968 haben ein paar Verleiher mich geschmissen und ich musste die Wechsel, die sie mir gegeben hatten, selbst zahlen. Plötzlich stand ich mit einem Riesenberg Schulden da.


BF: Als Teil der "Altbranche" hatten Sie dennoch einen guten Draht zum Neuen Deutschen Film?


FS: Die Altbranche hat die Neuen produziert, wir waren die Helfershelfer, denken Sie an [Schlöndorffs](/person/volker-schloendorff) von mir produzierte erste Regiearbeit "[Der junge Törless](/movie/der-junge-toerless)". Die, die von "Opas Kino ist tot" geplappert haben, waren mir egal, die haben keine Filme gemacht.


BF: Im Laufe Ihres Lebens haben Sie sämtlich Preise gesammelt, vom Bambi bis zum Oscar. Was bedeuten sie Ihnen?


FS: Es macht Spaß, sie zu sammeln, vor allem, wenn sie dotiert sind oder einen kommerziellen Schub geben wie der Oscar für "[Die Blechtrommel](/movie/die-blechtrommel)".


BF: Was ist Ihre schönste, was Ihre ärgerlichste Erinnerung?


FS: Ärgerlich war eigentlich nichts, weil ich mich sowieso nicht ärgere. Ich spiele den Ärger nur, wenn es nützlich ist, dann kann ich eine Schau abziehen. Wer sich ärgert, verliert an Souveränität. Besonders gern erinnere ich mich an die Arbeit zu "[Das schwarz-weiß-rote Himmelbett](/movie/das-schwarz-weiss-rote-himmelbett)".


BF: Sie bedienten Kassenknüller wie Filmkunst. Für was schlägt Ihr Herz?


FS: Ich nehme populäre Filme genauso ernst wie die so genannten anspruchsvollen. Es ist keine Schande, für die "kleinen Leute" - was nicht despektierlich gemeint ist - einen Film zu machen, an dem sie ihre Freude haben. Die Schulfilme haben mich aus der Pleite gerettet und Goldene Leinwände kassiert. Allerdings ist es schon ein Vergnügen, wenn eine Film- und Fernsehakademie in Brüssel anlässlich "100 Jahre Kino" die besten Filme aus 100 Jahren sammelt und von zehn deutschen Tonfilmen zwei von mir dabei sind - "Die Blechtrommel" und "[Wälsungenblut](/movie/waelsungenblut)". Auf Letzteren bin ich besonders stolz.


BF: Woran liegt es, dass der deutsche Film derzeit international dahindümpelt?


FS: Es fehlt an Professionalität. Volker Schlöndorff war hochprofessionell, als ich ihn für "Der junge Törless" engagierte, und hatte zehn Regieassistenzen hinter sich. Heute kommen Hochschulabsolventen mit einem Dilettantenkram daher, dass es einem den Magen umdreht. Und es gibt Schauspieler, die stehen zwar hoch im Kurs, aber die würde ich nicht für umsonst nehmen.


BF: Bieten internationale Koproduktionen eine Chance?


FS: Die haben nur Sinn, wenn sie vom Stoff her berechtigt sind. Der Auslandsverkauf für "[Doktor Faustus](/movie/doktor-faustus_f)" lief entschieden besser als für "[Der Zauberberg](/movie/der-zauberberg)", obwohl da [Rod Steiger](/person/rod-steiger) mitspielte.


BF: Was halten Sie vom Regierungsentwurf zum Urheberrecht?


FS: Wenn der so bleibt, werden die Urheber den größten Schaden haben. Denn dann hören wir Produzenten auf, privatisieren oder gehen ins Ausland. Ich muss als Produzent denselben Anspruch auf Leistung haben wie Urheber auf Geld. Wenn ein Kameramann so viel verdient wie der deutsche Botschafter in Warschau, ist er nicht unterbezahlt. Schon die Rückrechnung ist verfassungswidrig. Sollte das Gesetz werden, würden wir Verfassungsklage einreichen.


BF: Das Gegeneinander von Filmwirtschaft und Kreativen schadet doch nur dem Produkt.


FS: Ich habe gelernt, altruistisch zu denken. Mein Altruismus erstreckt sich auf die Interessen der Produzenten, aber auch auf die der Urheber, denn nur durch das Zusammenwirken können respektable Filme zustande kommen. Mit diesem Gesetz ist man aber weit über das Ziel hinausgeschossen.


BF: Und die angestrebte Novellierung des FFG?


FS: Das ist nicht hochaktuell. Mir ist noch gar nicht klar, was da verbesserungswürdig sein soll.


BF: Was ist Ihre größte Stärke, was Ihre größte Schwäche?


FS: Als Stärke würde ich mein heiteres Naturell bezeichnen. Deshalb heißt mein Lebensmotto auch "Niemand taugt ohne Freude". Meine Schwäche? Unmut gegenüber Dummheit, der vielleicht nicht immer ganz gerecht ist.

Interview mit Franz Seitz über den Film und die Zukunft