Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Der Citydome Rosenheim wurde am 13. Dezember vergangenen Jahres eröffnet. Wie lautet Ihr erstes Resümee?


Thomas Negele: Mein Partner Hans Jürgen Jochum und ich sind zufrieden. Bis zum 12. April hatten wir knapp über 160.000 Besucher. Das Gesamtkonzept wird gut angenommen. Aber man muss auch sagen, dass wir im Marketing sehr viel tun und derzeit gute Filme am Markt sind. Wie ein Konzept funktioniert, stellt sich erst nach dem dritten bzw. vierten Jahr heraus, wenn der Neuigkeitseffekt verblasst ist. Dann zeigt sich, ob man das Projekt gut positioniert hat und welche Anstrengungen weiterhin nötig sind.


BF: Welche Philosophie steht hinter dem Citydome Rosenheim?


TN: Nicht nur Kino, sondern auf Dauer ein Kommunikationszentrum zu schaffen. Ursächlich für das Konzept war daher der Blickwinkel des Kunden und der Bank bzw. des Investors. Bereits im Vorfeld wurden Fragen - wie etwa, warum der Besucher kommt oder kommen soll, was er erwartet, wie viel er derzeit pro Event zu zahlen bereit ist, wie man dieses Niveau anheben kann, und wo der Weg des Kinos im Zeitalter von Internet und anderen Medien hingehen wird - beantwortet. Mit anderen Worten, die Bonität und Sicherheit muss durch ein ausgeklügeltes Finanzierungskonzept, ein gutes Baukonzept und -management und eine realistische Prognose, bezogen auf die Besucherzahlen und die Kosten, gegeben sein. Verschiedene Einnahmequellen mindern die Abhängigkeit des Objekts vom Kinoergebnis und bedeuten damit für die Banken mehr Sicherheit und für den Kunden mehr Erlebnis.


BF: Können Sie das etwas genauer ausführen?


TN: Traditionell bestehen die Einnahmen eines Kinocenters aus Kartenerlös, Concession und Werbung. In den letzten Jahren hat man verstärkt um das Kino herum Gastronomie angesiedelt, welche meist aus Mangel an Erfahrung unterverpachtet war. Vereinzelt wurden Event- oder Mehrzweckhallen gebaut, deren Kinoraum man zusätzlich nutzte. Unser Ansatzpunkt unterscheidet sich dadurch, dass wir uns die Gastronomie in den letzten acht Jahren konsequent erarbeitet haben und sie als selbstständige Einnahmequelle betrachten. Wir geben die Gastronomie nicht durch Verpachtung aus der Hand, sondern haben eine Art Franchise-System gekoppelt mit einem Betriebsführungsvertrag à la Mövenpick, in dem wir das Konzept und die Einrichtung vorgeben, der Betrieb aber von einem Subunternehmer auf Provisionsbasis geführt wird. Damit erhalten wir uns die Einwirkungsmöglichkeiten, haben selbst aber kein Personal und begrenzen die Kosten nach oben.


BF: Was muss zudem beachtet werden?


TN: Ein wesentlicher Faktor ist der Wareneinsatz, der nicht über einen bestimmten Prozentsatz liegen darf. Der Energieeinsatz muss bereits beim Bau beachtet werden. Damit erarbeiten wir uns genau den Prozentsatz, der einem Pächter übrig bleiben muss. Somit erhöht sich auch unser EBIT. Den Eventraum haben wir in erster Linie als Veranstaltungsraum konzipiert. Künftig stellen wir uns auch z.B. den Bau eines Boardinghotels vor mit dem Symbioseeffekt, die Gastro mitnutzen zu können, ohne die Räume nochmals bauen zu müssen. Es geht darum, ein "Einkaufszentrum" auf anderer Ebene zu errichten, nämlich der Emotion, des Genusses, der Fantasie, und neue Technologien im Medienbereich einzusetzen. Wir wollen zielgruppenorientiert dem Besucher viele Erlebnisse für nicht mehr als 25 Mark möglich machen. Jede Einnahmequelle sollte man wirtschaftlich und steuerlich als eigenständiges Profitcenter ansehen und betreiben.


BF: Welche Gastronomie-Angebote stellen Sie in Rosenheim den Besucher zur Verfügung?


TN: Ein Café, eine Show-Brauerei, eine Nachtbar, eine Eventhalle für 400 bis 600 Personen und einen Biergarten. In der 1200 Quadratmeter großen Gießereihalle sind die Gastroteile so untergebracht, dass der Besucher mit einem Blick alles sehen, selbst aber versteckt sitzen kann. In der Brauerei bekommt der Besucher eigens für uns gebrautes Bier und gute Speisen. In der schön beleuchteten Nachtbar werden erstklassige Cocktails und z.B. Sportübertragungen angeboten. Jeder dieser Bereiche bietet verschiedenen Zielgruppen eine Heimat. Der gestresste Besucher, egal wo er sich aufhält, soll ruhig werden und sich entspannen. Für den Kunden ist die Optik, sprich die Formen- und Farbenlehre, wesentlich. Deshalb wurden warme Grundtöne bevorzugt, wie sie zum Beispiel in Venedig zu finden sind.


BF: Welche Zielgruppe ist für Sie besonders interessant?


TN: Wegen der Bevölkerungsentwicklung die über 39-Jährigen und Eltern mit Kindern. Letztere kommen oft mangels Babysitter und mangels laufender Erinnerung und Bindung nicht dazu, ins Kino zu gehen. Dies versuchen wir durch Kinderbetreuung, ein Kinderland mit intelligenten Spielen, einem Spielplatz im Außenbereich, einer Sonntagsmatinee, eines Familienbrunch etc. zu lösen. Hier kann man viel von McDonald's abschauen. Wir haben eine Kreativpädagogin und den Kinderclub "Zauberlaterne" nach einem Schweizer Modell eingeführt.


BF: Marketing besitzt also einen hohen Stellenwert?


TN: Marketing spielt neben der Entwicklung des Objekts aus dem Blickwinkel des Betrachters eine große Rolle. Dies bedeutet für uns im Kinobereich mehr Arbeit am Kunden, denn Ziel ist es, im Rahmen des Gesamtkonzepts jedem Tag in der Woche eine eigene Zielgruppe zu ermöglichen. Dies bedeutet Einzelmarketing für jede Einnahmequelle, jedoch dient jede Einzelmaßnahme auch dem Gesamtkonzept. Das Marketingbudget wird anders gewichtet, dabei ist man auf die Mithilfe der Verleiher und Partner, die über einen großen Kundenstamm verfügen, angewiesen.


BF: Wurde das digitale Kino der Zukunft bei Ihren Planungen berücksichtigt?


TN: Die Digitalisierung kommt, wenn für alle Beteiligten akzeptable Voraussetzungen geschaffen wurden. Dies betrifft in erster Linie die Finanzierung und die Qualität. Die Tiefe und die farbliche Qualität der digitalen Projektion darf der des 35-Millimeter-Films in nichts nachstehen. Eine vorzeitige Einführung verstände der Besucher nicht und würde damit uns schaden, indem unsere Vorteile gegenüber dem Fernsehen und dem Internet vermindert werden.


BF: Was sagen Sie zu den Entwicklungen der Multiplexe in den vergangenen Jahren?


TN: Die Fehler der Boomzeiten, wie die Vernachlässigung der Standortwahl, der zu teure Grund und Boden, überhöhte Baukosten, unrealistische Besucherprognosen und zu viele Multiplexe am selben Standort, sind bekannt. Die Banken haben hier Mitschuld, auch, da sie sich die Materie Multiplex nie richtig erarbeitet haben. Wichtig ist, aus dem Dilemma der Verluste und geringen Gewinne herauszukommen. Zum Beispiel, indem man den Zentralismus großer Betriebe reduziert, um eine eigene Firma für jeden Multiplexstandort mit einem Geschäftsführer mit weitreichenden Kompetenzen zu schaffen und Profitcenter aufzubauen. Der zweite Schritt wäre dann die Umrüstung von Kinocentern zu Kommunikationszentren, die Liquidation einzelner Objekte oder eine erhebliche Mietreduzierung bei den Investoren. Diejenigen, die von Anfang an ihr Objekt individuell geplant haben, stehen auch jetzt gut da.


BF: Sie sehen also keine negative Situation am Kinomarkt?


TN: Filmbezogen für 2001 nicht. Bei den Werbeeinnahmen müssten sich die Kinobetreiber die örtliche Region mehr erschließen, da sich die überregionalen Einnahmen zugunsten der großen Betreiber verschieben. Verbandsbezogen stört mich derzeit das uneffektive Arbeiten der gespalteten Verbände [Cineropa](/company/cineropa) und [HDF](/company/hdf-kino-ev), wo doch eine starke Interessensvertretung elementar ist. Negativ sehe ich die Billigpreisschiene, die unter der Woche gefahren wird. Aus der Geschichte des Einzelhandels ist bekannt, dass diese Politik der Tod eines jeden gewinnorientierten Handels ist. Eine Preisreduzierung muss dosiert eingesetzt und darf nicht zum Abwerben von Kunden benutzt werden. Sie zerstört beim Kunden die Wertigkeit eines Kinobesuchs. Auf Dauer müssen wir vermitteln, dass ein Kino mit höchster Ausstattung seinen Preis wert ist, da manche Betriebe vorgaukeln, dass mit einem niedrigen Eintrittspreis alles finanziert würde.


BF: Sie haben Kinos in [Straubing](/company/citydom-straubing) und mit Partnern in Rosenheim und [Sinsheim](/company/citydome-sinsheim_4). Haben Sie noch andere Pläne?


TN: Nein, in Bezug auf Objekte wie Rosenheim. Ja, um mit meinem Partner die brennenden Themen der Branche anzupacken, wie die Erschließung neuer Werbeeinnahmen und die Erstellung eines neuen örtlichen Marketingkonzeptes mit den Verleihern oder das Hochbringen und Umrüsten von Multiplexen in Kommunikationszentren. Schön wäre auch, dem Mittelstand meine Erfahrungen im Rahmen der Organisation, des Controllings und der Liquiditätsbeschaffung weiterzugeben.

Kinomacher Thomas Negele über seine Multiplex-Konzepte