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Kino

Blickpunkt:Film: Was bedeutet Ihnen die Berlinale?

Marc Rothemund: Auch wenn es sich pathetisch anhört, ich betrachte die Wettbewerbsteilnahme als eine große Ehre, gerade nach dem Wechsel von zwei erfolgreichen Komödien zum Drama, obgleich ich im Fernsehen schon mit "Die Hoffnung stirbt zuletzt" ein Drama erfolgreich umsetzen durfte. Zum anderen ist die Berlinale eine schöne Anerkennung für alle Mitarbeiter an diesem Film. Die Bedingungen waren sehr hart, aber das Durchhalten hat sich gelohnt. Natürlich empfinde ich etwas Angst, ob ein Kammerspiel filmisch genug ist, hoffe jedoch auf die Offenheit der Zuschauer für diese außergewöhnliche emotionale Reise.

BF: Was brachte Sie zu diesem Projekt?

MR: Zum 60. Todestag von Sophie Scholl vor zwei Jahren habe ich einige Artikel zu den letzten Tagen gelesen und gemerkt, da gibt es noch Unentdecktes. Ihre Originalunterschrift auf den bisher unveröffentlichten Vernehmungsprotokollen hat mich in den Bann gezogen. Es sollte eine ehrliche Geschichte werden, kein riesiges kommerzielles Ding, deshalb auch das Low-Budget von unter drei Mio Euro. Ich konnte mir vorstellen, das Drama mit relativ geringem Aufwand zu erzählen. Und die Originalmotive wie Universität oder Justizpalast sind ja kaum verändert.

BF: Reagieren Förderer bei diesem Thema sofort positiv?

MR: Wir mussten uns nicht wirklich abstrampeln. [BR](/company/bayerischer-rundfunk-br) und [FFF](/company/filmfernsehfonds-bayern) konnten wir sofort als Partner gewinnen. Und das Thema Zivilcourage fand man auch unterstützenswert.

BF: Gab es Momente, wo alles auf der Kippe stand?

MR: Wenn ich als Regisseur Zweifel hege oder nicht mehr 100-prozentig an das glaube, was ich tue, überträgt sich diese Stimmung auf die anderen. Ich muss mit Leidenschaft und Optimismus vorangehen, ein Orientierungspunkt für die Mitarbeiter sein. Aber es fehlte sowieso die Zeit zum Zweifeln. Diese filmisch angestrengte Atmosphäre, in der es immer um Leben und Tod ging, nahm jeden einzelnen emotional sehr mit, dazu kam noch die Drehzeit von sechs Tagen die Woche. Nach einem Drittel habe ich gesagt, die Arbeitszeiten werden nicht kürzer, die Anspannung noch härter und dass ich keinem böse bin, der die Zeit und Kraft nicht aufbringt und sagt, ich schaffe es nicht. Aber alle sind geblieben.

"Mit Leidenschaft und Optimismus vorangehen"

BF: [Julia Jentsch](/person/julia-jentsch) nennt Sie einen "großen Motivator".

MR: So sehe ich mich weniger. Der persönliche Einsatz muss stimmen. Ich achte im Vorfeld darauf, die richtigen Leute an das Projekt zu binden und zusammenzustellen, von der Ausstattung über die Schauspieler bis zur Kamera. So fällt die endgültige Entscheidung nicht nur aus fachlichen Gründen, sondern danach, wer das größte Kämpferherz, wer die größte Leidenschaft hat.

BF: Sie haben mit Autor [Fred Breinersdorfer](/person/prof-dr-fred-breinersdorfer) Broth-Film gegründet und sich als Koproduzenten beteiligt.
MR: Diese Geschichte der letzten Tage einer 21-Jährigen in der Gewalt der Nazis hat mich persönlich gepackt. Ich habe erst allein angefangen, ein Konzept zu entwickeln und mit Fred Breinersdorfer recherchiert und ihn als Autor gewonnen. Zum einen wollten wir das Budget gering halten, denn je mehr Budget, desto mehr Leute reden mit, desto länger dauert die Finanzierung. Und ich wollte bei dieser Herzensgeschichte kein weisungsgebundener Regisseur sein, sondern mitbestimmen dürfen. Deswegen haben wir uns auch mit Goldkind Film zusammengetan, eine bewährte Zusammenarbeit, die auf Vertrauen und Unterstützung beruht. Wir behalten die Firma, und sollte jemand von uns noch einmal eine Herzensidee haben, können wir sie mitrealisieren.

BF: Wie kommt man aus der Komödienschublade heraus?

MR: Mein Bestreben ging immer dahin, verschiedene Genres, Geschichten und Zeiten zu ergründen. Ich habe dank [TV60Film](/company/tv60filmproduktion) mit "[Anwalt Abel](/tvshow/anwalt-abel-ihr-letzter-wille-gilt-2-teile)" angefangen, also sehr ernsthaft, dann kam über [Samfilm](/company/samfilm) die Familienkomödie "[Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit](/movie/das-merkwuerdige-verhalten-geschlechtsreifer-grossstaedter-zur-paarungszeit)" und mit [Bernd Eichinger](/person/bernd-eichinger) die Teeniekomödie "[Harte Jungs](/movie/harte-jungs)". Ich habe ein fröhliches und ein trauriges Herz, mal gefällt mir eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Leben, mal der augenzwinkernde Blick darauf. Das leichte Unterhaltungsfach halte ich für mindestens so schwer wie das dramatische.

Marc Rothemund über "Sophie Scholl - Die letzten Tage"