Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was ist der aktuelle Sachstand bei der Ausarbeitung des Medienerlasses?

Hans Radau: Der Entwurf des Medienerlasses wurde den betroffenen Verbänden der Filmindustrie am 17.02.2000 offiziell übermittelt. Bis zum 5. April dieses Jahres konnte zu diesem Entwurf Stellung genommen werden. Inzwischen dürften alle Verbände und Interessensvertreter ihre Stellungnahmen beim Bundesfinanzministerium eingereicht haben. Nach inoffiziellen Verlautbarungen werden diese analysiert und abschließend besprochen. Mit Veröffentlichung der endgültigen Fassung des Medienerlasses im Bundessteuerblatt wird nicht vor Anfang Juli 2000 gerechnet.

Blickpunkt:Film: Wie beurteilen Sie den Versuch der Finanzverwaltung, eine einheitliche Regelung für die Behandlung von Film- und Fernsehfonds herbeizuführen?

Thomas Welte: Das Bestreben der Obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, allgemeinverbindliche, einheitliche Grundsätze für die steuerrechtliche Behandlung von Film- und Fernsehfonds zu formulieren, ist ohne Einschränkung zu begrüßen. Durch die Regelungsansätze des Medienerlasses wird für den in weiten Teilen steuerlich noch unerschlossenen Bereich der Film- und Fernsehwirtschaft in Deutschland ein höheres Maß an Rechtssicherheit entstehen. Dass dieser Versuch bislang noch nicht vollständig gelungen ist, wird allerdings am Umfang der beim Bundesfinanzministerium eingegangenen Stellungnahmen deutlich. Die im Erlassentwurf vorgesehenen Regelungsansätze stehen in vielerlei Hinsicht nicht in Übereinstimmung mit der bislang geübten Vertrags- und Gestaltungspraxis sowohl der deutschen Filmwirtschaft als auch der Rechtsanwendungspraxis der deutschen Finanzverwaltung.

HR: Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich der Regelungsgegenstand zwar primär auf Fondsgestaltung bezieht, die einzelnen Regelungen des Medienerlasses jedoch in gleichem Maße auch Sachverhalte außerhalb von Fondsgestaltungen betreffen. Es wäre daher aus der Sicht der gesamten Filmwirtschaft wünschenswert, dass die verschiedenen Stellungnahmen und Lösungsvorschläge der Verbände in größtmöglichem Maße in der endgültigen Fassung des Medienerlasses berücksichtigt werden.

Blickpunkt:Film: Worin sehen Sie die zentralen Probleme des Entwurfs?

TW: Was die konkreten Vorschriften des Medienerlasses betrifft, so kann sich jede einzelne als gravierend herausstellen. Ein Kernbereich des Erlassentwurfs ist jedoch sicherlich die Regelung der Herstellereigenschaft. So verlangt der Entwurf, dass der Filmhersteller alle wesentlichen zur Herstellung und Auswertung erforderlichen Rechte am Film bereits vor Beauftragung eines etwaigen Dienstleisters erworben haben muss. Eine derartige branchenübliche Praxis gibt es aber nicht. Vielmehr ist auch der umgekehrte Fall denkbar: Der Hersteller sichert sich zunächst die Dienste eines Produktionsdienstleisters und erwirbt erst im Anschluss daran die Rechte an einem Stoff. Oder es existieren überhaupt keine zugrunde liegenden Stoffrechte und das Drehbuch wird erst im Laufe des Produktionsfortschritts unter Einbindung des Dienstleisters entwickelt. Als problematisch empfinden wir die Anwendung von Teilen des Bauherrenerlasses im Zusammenhang mit der Frage der Herstellereigenschaft. So verlangt der Erlassentwurf, dass das Fehlen der Herstellereigenschaft zu prüfen ist, wenn vom Fondsinitiator das Fonds-Vertragswerk vollständig entwickelt wurde

Übergangsregelung fehlt

Die Gewährung der notwendigen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten eines Herstellers durch das Vertragswerk an den Fonds wird dabei außer Acht gelassen.

HR: Ein Grundproblem ist ebenso das Fehlen einer vernünftigen Übergangsregelung. Obwohl sich Vertragsgestaltungen über die Herstellung/Verwertung von Film- und TV-Rechten (im Medienerlass unterstellt) in der Regel über mehrere Jahren erstrecken und nur in Ausnahmefällen nachträglich verändert werden können, soll.der Medienerlass auf alle offenen (noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle) Anwendung finden. Ein weiteres grundsätzliches Problem besteht im völlig ungeklärten Verhältnis zwischen Medienerlass und § 2b EStG. Der vorliegende Entwurf lässt nicht erkennen, inwiefern gewählte Definitionen und Regelungen für das Verständnis gleich oder ähnlich gelagerter Sachverhalte und Begriffe im Anwendungsbereich anderer Vorschriften (insbesondere § 2b EStG und Übergangsregelung) relevant sind. Zum Teil scheint der Medienerlass die Vorschrift des § 2b EStG sogar zu negieren. So geht der Medienerlass bei der Frage der Gewinnerzielungsabsicht davon aus, dass diese grundsätzlich nur bei leasingähnlichen Strukturen gegeben sei. Unternehmerisch orientierten Filmfonds wird der Nachweis dieser Absicht dagegen nahezu unmöglich gemacht. Hierbei wird aber die Schädlichkeit gerade solcher Gestaltungen nach der neuen Vorschrift des § 2b EStG übersehen. Kaum ein Studio wird bereit sein, einen Totalgewinn dergestalt zu garantieren, dass die schädliche Grenze zwischen Vor- und Nachsteuerrendite nicht überschritten wird.

TW: Der Wortlaut des Erlassentwurfs legt nahe, dass es sich bei Filmfonds um Verlustzuweisungsgesellschaften handle. Fehlende Gewinnerzielungsabsicht sei stets zu vermuten und diese Vermutung kann im wesentlichen nur durch einen Totalgewinn auf Grund garantierter Zahlungen widerlegt werden. Abgesehen davon, dass nicht jeder Filmfonds eine Verlustzuweisungsgesellschaft ist und die gesamte Filmproduktionsbranche hierdurch im Ergebnis als nicht gewinnerzielungsfähig stigmatisiert wird, steht diese Regelung, wie bereits erwähnt, auch in Widerspruch zu der Intention des § 2b EStG.

HR: Die Vereinfachungsregelung für die Übernahme bereits begonnener Filmprojekte ist ebenfalls problematisch. Grundsätzlich begrüßenswert geht sie leider ins Leere. Der Entwurf gibt bestimmte Grenzen vor, bis zu deren Überschreitung ein Filmprojekt unter Beibehaltung der Herstellereigenschaft übernommen werden kann. Diese Grenzen sind überschritten, wenn zum Zeitpunkt der Übernahme mehr als 50 Prozent des voraussichtlichen Produktionszeitraums verstrichen oder mehr als 50 Prozent der voraussichtlichen Herstellungskosten verausgabt oder vertraglich gebunden sind. Als Beginn des Produktionszeitraums wird hierbei der Zeitpunkt der Fertigstellung des ersten Drehplans definiert. Abgesehen von praktischen Schwierigkeiten der Ermittlung des Zeitpunkts, zu welchem ein Drehplan vorlag und dieser fertiggestellt wurde, können zwischen Fertigstellung des ersten Drehplanes und Drehbeginn oftmals mehrere Jahre liegen. Der Halbzeitpunkt kann also lange vor Drehbeginn überschritten sein. Von erheblicher Tragweite ist auch die im Entwurf geäußerte und aus unserer Sicht unzutreffende Auffassung, dass über die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Film in entsprechender Anwendung der so genannten Leasingerlasse zu entscheiden sei. Des Weiteren vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass vom Leistungsschutzrecht des Herstellers nur das Recht zur Kino- oder Fernsehverwertung umfasst wird. Alle weiteren Rechte wie z.B. Video- oder Pay-TV-Rechte seien gesondert zu beurteilen und als selbstständige Vermögensgegenstände anzusehen. Über die sich hieraus ergebenden Folgen schweigt sich der Erlass aus, die Tragweite der Regelung ist nur schwer abschätzbar. Die Auffassung der Finanzverwaltung über den Umfang des Leistungsschutzrechts des Herstellers ist urheberrechtlich unzutreffend. Konsequent angewendet, wenn auch rechtlich unzutreffend, könnte sie weit reichende Folgen haben, wie etwa die Annahme eines entgeltlichen Erwerbs dieser Rechte durch den Hersteller, soweit sie ihm von dem ursprünglichen Rechteinhaber eingeräumt werden.

TW: Ein weiteres zentrales Problem des Erlassentwurfs ist schließlich die Betriebsstättenproblematik, insbesondere im Zusammenhang mit internationalen Koproduktionen. Der Erlassentwurf vermutet in Fällen einer Koproduktion zwischen den Koproduzenten stets die Begründung einer Mitunternehmerschaft. Folge soll sein, dass jeder Koproduzent für den jeweils anderen Partner eine Betriebsstätte begründet. Fallen in dieser Verluste an, so sind sie den Koproduktionspartnern jeweils anteilig zuzurechnen. Soweit der Koproduzent, bei dem Verluste anfallen, seinen Sitz im Ausland hat, sind die dort anfallenden Verluste, soweit sie den deutschen Koproduzenten anteilig zuzurechnen sind, für diesen nicht mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen in Deutschland verrechenbar. Der Umstand, dass im Falle von Koproduktionen in der Regel jeder Koproduktionspartner die ihm zustehenden Rechte bzw. den ihm hieran zustehenden Bruchteil getrennt von dem anderen Koproduzenten auswertet, hat hierbei zwingend zur Folge, dass bei internationalen Koproduktionen die Erlöse zwar vollständig in Deutschland zu versteuern sind, die von dem deutschen Koproduzenten aufgewandten Produktionskosten aber nur teilweise als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Betriebsstättenprobleme

Der deutsche Koproduktionspartner einer internationalen Koproduktion wäre hiernach also mit der misslichen Situation konfrontiert, dass der ihm zustehende Anteil an den in den unterstellten ausländischen Betriebsstätten entstandenen Verlusten für immer verloren ginge und niemals mit positiven Einkünften des deutschen Koproduzenten, insbesondere nicht mit Gewinnen aus der Verwertung des koproduzierten Films, verrechenbar sein würde. Der deutsche Koproduzent hätte damit im Ergebnis die ihm aus der Verwertung des Films zufließenden Erlöse zu versteuern, ohne dass sich sein Anteil an den Herstellungskosten mit steuerlicher Wirkung amortisiert hat.

Blickpunkt:Film: Welche Lösungen haben Sie vorgeschlagen?

HR: Was den Anwendungsbereich des Medienerlasses betrifft, haben wir eine umfassende Übergangsregelung angeregt, wonach die Regelungsansätze des Medienerlasses nur auf solche Gestaltungen Anwendung finden sollen, bei denen wesentliche Investitionsentscheidungen nach dem Tag der Bekanntmachung des Erlasses im Bundessteuerblatt getroffen wurden. Für die Regelung der Herstellereigenschaft im Erlassentwurf soll es nach unserem Vorschlag in erster Linie darauf ankommen, dass der Hersteller stets über alle wesentlichen Maßnahmen der Filmproduktion informiert ist und insoweit das Recht und die Möglichkeit hat, Entscheidungen zu treffen und Weisungen zu erteilen. Darauf, dass er dieses Recht ausübt und tatsächlich Weisungen erteilt, soll es dagegen nicht ankommen, solange er nicht vertraglich oder faktisch an der Ausübung seiner Weisungs- und Kontrollrechte gehindert ist. Weiterhin soll für die Herstellereigenschaft maßgeblich sein, wer das wirtschaftliche Risiko der Filmherstellung letztendlich trägt und die im Laufe des Herstellungsprozesses entstehenden Rechte auf sich bündelt. Die im Medienerlass aufgelisteten Tatbestandsmerkmale sollen nicht Mindestvoraussetzung für die Herstellereigenschaft sein, sondern eher eine Indizwirkung dafür entfalten, dass der Hersteller tatsächlich das wirtschaftliche Risiko der Filmherstellung trägt. Die Frage des wirtschaftlichen Eigentums an Filmrechten sollten die allgemeinen Grundsätze der Abgabenordnung zur Anwendung kommen und von der rechtlich unzutreffenden und wenig sachdienlichen Heranziehung der Leasinggrundsätze abgesehen werden. Im Hinblick auf die Gewinnerzielungsabsicht haben wir vorgeschlagen, den Wortlaut des Erlass dahingehend abzuändern, dass es sich bei Filmfonds nicht grundsätzlich um Verlustzuweisungsgesellschaften handelt, sondern eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht allenfalls dann vermutet werden kann, wenn die vom Bundesfinanzhof aufgestellten Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verlustzuweisungsgesellschaft erfüllt sind. Soweit eine solche Gesellschaft gegeben ist, was nicht mit einem Steuersparmodell im Sinne des § 2b EStG gleichzusetzen ist, soll die Vermutung der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht nicht nur durch im vorhinein festgelegte Lizenzzahlungen, sondern auch und vor allem auf Grund einer von anerkannten Vertriebsunternehmen erstellten realistischen und betriebswirtschaftlich nachvollziehbaren Erlösprognose widerlegt werden können. Zur Lösung der Problematik ausländischer Betriebsstätten bei internationalen Koproduktionen regen wir das Aufgreifen des bereits früher von verschiedenen Finanzbehörden angewandten Ansatz der Arbeitsgemeinschaft wieder aufzugreifen oder die Grundsätze zu so genannten Kostenumlageverträgen anzuwenden. Soweit der Erlassentwurf rechtlich, insbesondere urheberrechtlich unzutreffende Ausführungen enthielt, z.B. zur gesonderten Behandlung der angeblich nicht zur Auswertung erforderlichen Rechte, haben wir die Streichung angeregt.

Sind damit alle offenen Fragen geklärt?


TW: Nein, sicherlich nicht. Es kann aber auch nicht Sinn und Zweck des Medienerlasses sein, alle nur denkbaren Fragen und Probleme detailliert zu behandeln. Eine umfassendere Regelung der ertragsteuerlichen Behandlung von Filmproduktionen wäre unseres Erachtens jedoch zumindest mit Blick auf Animationsfilmproduktionen erwünscht. Der Medienerlass verwendet überwiegend realfilmtypische Begrifflichkeiten wie "Beginn der Dreharbeiten" oder "Schauspieler". Diese Begriffe und die hierzu ergangenen Regelungen sind nicht ohne Weiteres auf Animationsfilme anwendbar. Hierdurch entsteht ein Regelungsvakuum, das im Lichte der Zielsetzung des Medienerlasses unbefriedigend erscheint.

Blickpunkt:Film: Welchen Einfluss könnte Paragraph 2b EStG auf die Gestaltung von Fonds haben?

HR: Einen sehr großen. Gefahr für Filmfonds droht auch oder vielleicht sogar in erster Linie von Seiten dieser Vorschrift. Mit den Regelungen des Medienerlasses, mögen sie auch noch so auslegungs- und nachbesserungsbedürftig sein, wird man sich irgendwie arrangieren können. § 2b aber zieht die Schlinge so eng, dass sich die Frage stellte, wie zukünftig überhaupt noch vernünftige Fondsfinanzierungen im Filmbereich möglich sein sollen.

Medienerlass - das Ende aller Fragen?