Blickpunkt:Film

Kino

Haben Sie sich mit "Störtebeker" einen Kindheitstraum erfüllt?
Absolut. Als Lübecker habe ich mich sehr gefreut, weil ich um die Bemühungen der vergangenen Jahre wusste, den Stoff zu verfilmen - bis hin zu [Wolfgang Petersen](/person/wolfgang-petersen), der, soweit ich weiß, nach "[Das Boot](/movie/das-boot)" vor fast 30 Jahren mit [Bernd Eichinger](/person/bernd-eichinger) ein Drehbuch entwickelt hatte.

Haben Sie zur Vorbereitung viele Abenteuer- oder Piratenfilme gesichtet?
Überhaupt nicht. Weil ich das Gefühl hatte, das Abenteuergenre schon lange in mir zu tragen. Ich bin mit Filmen wie " [Indiana Jones](/movie/indiana-jones-und-der-letzte-kreuzzug)", "[Krieg der Sterne](/movie/krieg-der-sterne)", "[Der Graf von Monte Christo](/movie/der-graf-von-monte-christo_0)" und "[E.T.](/movie/et-der-ausserirdische)" aufgewachsen, die mich dazu inspiriert haben, Filme zu machen. Ich mag an diesen Filmen, dass sie eine spannende Achterbahnfahrt erzählen, aber echte Figuren aus Fleisch und Blut und keine Plastikkameraden in den Mittelpunkt stellen.

Wie war es mit dem zuletzt erfolgreichsten Piratenfilm, "[Fluch der Karibik](/movie/fluch-der-karibik)"?
Stilistisch hat mich der Film sehr ermutigt, weil er auch eine große ironische Brechung hat und zwischen Abenteuer, Emotionen und Humor changiert.

Die Dreharbeiten fielen in die Zeit der Schleichwerbungs-Affäre. Der Produzent [Thilo Kleine](/person/prof-thilo-kleine) und der ausführende Produzent [Stephan Bechtle](/person/stephan-bechtle) mussten während der Produktion "von Bord". Hat der Wechsel die Produktion beeinträchtigt?
Glücklicherweise hat er den Ablauf der Produktion in keiner Weise berührt, weil wir mit Jochen Ludwig einen sehr starken Produktionsleiter hatten und mit dem Herstellungsleiter Jan Kaiser sofort ein Schulterschluss stattfand. Es hat mich eher innerlich berührt. Stephan Bechtle war zwei- oder dreimal am Set in Litauen und er wirkte, obwohl die Affäre langsam hochkam, relativ entspannt. Man hatte in keinster Weise den Eindruck, dass es solche Ausmaße annehmen würde. Etwas später war er nicht mehr da. Ich habe ihm auf seine Abschiedsmail hin versichert, dass ich ihm den Film, wenn ich ihn geschnitten habe, zeigen würde. Das war für mich selbstverständlich.

Sie haben noch nie mit so vielen Spezialeffekten gearbeitet. War das die größte Herausforderung bei diesem Projekt?
Nein, denn dafür gibt es pragmatische und handwerkliche Lösungen. Mich hat die Mischung aus schwieriger Logistik und einem Ensemblefilm mit sehr vielen unterschiedlichen Figuren beschäftigt. Die Bögen dieser Figuren glaubwürdig zu erzählen und in diese Zeit einzutauchen, ohne dass man ein fremdartiges Gefühl dabei empfindet, war nicht leicht. Die größte Herausforderung war der Genremix: eine Gratwanderung zwischen Spannung, Emotion, Humor und Ironie im stetigen Wechsel.

Was wurde gebaut, was ist im Computer entstanden?
Neben einem Gutshof und einem Piratendorf am Meer haben wir zwei Straßenzüge mit Hansehäusern, mehrere Räume eines Schlosses und eine Hafenanlage bauen lassen. Hinzu kam der Nachbau einer 30 Meter langen Hansekogge aus dem 14. Jahrhundert. Eine weitere Kogge wurde annähernd in Originalgröße für die Studioszenen im litauischen Klaipeda verwendet, wo wir vor Greenscreen drehten - und zwar alle Szenen, die auf hoher See bei Nacht, Dämmerung oder bei stürmischer See spielen. Alle weiteren Szenen an Bord der Kogge wurden im Hafen von Nida gedreht. Ausgehend von unserer Originalkogge wurde ein digitales Modell angefertigt, das wir für sämtliche Einstellungen verwendeten, in denen das Schiff segelt. Für die VFX war die Firma Fritz Stoiber Productions in München verantwortlich. In Anbetracht der vergleichsweise knappen Mittel, die uns zur Verfügung standen, haben Fritz Stoiber und sein Team mit viel Detailliebe und großer Motivation wirklich Unglaubliches vollbracht.
Kinoauswertung als wunder Punkt
Wie haben Sie den Drehort Litauen erlebt?
Landschaftlich wunderschön. Die Zusammenarbeit mit den litauischen Crewmitgliedern lief - mit wenigen Ausnahmen - reibungslos und war von einer guten Portion trockenen Humors geprägt. An einigen Stellen gab es jedoch Schwierigkeiten in der Kommunikation, was sehr viel Kraft gekostet hat, weil gewisse Absprachen nicht eingehalten wurden, die eine direkte Auswirkung auf die Qualität des Films hatten. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass wir entgegen der ursprünglichen Pläne Fachleute aus Deutschland einfliegen mussten, um die Sets fertig zu stellen.

Wie sind Sie bei der Besetzung vorgegangen?
Als man mir das Projekt anbot, war [Ken Duken](/person/ken-duken) bereits für die Hauptrolle vorgesehen - was ich als Geschenk empfand, weil er bereits in meinem Kinofilm "[Gran Paradiso](/movie/gran-paradiso-das-abenteuer-mensch-zu-sein)" die Hauptrolle spielte und mich mit seinem Talent beeindruckt hatte. Insofern fiel mir die Zusage sehr leicht. Für die Besetzung aller Rollen war mir wichtig, hervorragende Charakterdarsteller zu finden, um den Figuren Leben einzuhauchen und ihnen etwas Unverwechselbares zu geben. So konnte ich erneut mit dem großartigen [Frank Giering](/person/frank-giering) (ebenfalls "Gran Paradiso") arbeiten und Leute wie [Stephan Luca](/person/stephan-luca), [Timo Dierkes](/person/timo-dierkes), [Jochen Nickel](/person/jochen-nickel), [Antonio Wannek](/person/antonio-wannek) und [Rolf Kanies](/person/rolf-kanies) kennen lernen. Obwohl das alles erstklassige Schauspieler sind, haben wir Castings durchgeführt, um ein Ensemble zusammenzustellen, bei dem die Chemie stimmt. Ein Geschenk war es auch, [Gudrun Landgrebe](/person/gudrun-landgrebe), [Gottfried John](/person/gottfried-john) und [Miguel Herz-Kestranek](/person/miguel-herz-kestranek) als "Star-Gäste" dabei zu haben. Insgesamt fanden Castings in München, Paris, Prag und Vilnius statt. Die Entscheidung für eine französische Hauptdarstellerin, [Claire Keim](/person/claire-keim), fiel sehr spät, als TF1 als französischer Partner mit an Bord kam.

Ist es schade, dass so ein Projekt nicht ins Kino kommt?
Das ist ein wunder Punkt, weil ich denke, dass dieser Stoff Kinopotenzial hat. Das Thema ist noch nie verfilmt worden. Und ich glaube, dass der Film einen hohen Schauwert bietet.

Es gibt aber keine Kinofassung?
Nein. Wir haben den Kontakt zu Verleihern gesucht. Sie haben sich den Film angesehen und gesagt, sie fänden es sehr schwierig, ihn auf zwei Stunden zu kürzen, weil es ihm schaden würde. Es war ja auch weder geplant noch dramaturgisch entwickelt, eine kürzere Version zu schneiden.

Wird es eine DVD-Auswertung geben?
Es wird eine DVD geben, was mich sehr glücklich macht - weil es dem Film über die Fernsehausstrahlung hinaus zu einem weiteren Leben verhilft. Als Leckerbissen für die wahren Filmfans haben wir hierfür eine echte, sehr aufwändige Dolby-5.1-Tonmischung erstellt, bei der auch die von [Dominic Roth](/person/dominic-roth) komponierte und vom Filmorchester Babelsberg eingespielte Musik wunderschön zur Geltung kommt. Was mich weniger glücklich stimmt, ist die Covergestaltung dieser DVD, die in meinen Augen ein stilistischer Fehlgriff ist. Nach 14 Monaten Arbeit an diesem Film ist das leider ein Wermutstropfen.

Wie geht es für Sie weiter?
Ich drehe ab 20. April "[Die Frau vom Checkpoint Charlie](/tvshow/die-frau-vom-checkpoint-charlie)" mit [Veronica Ferres](/person/veronica-ferres). Außerdem entwickle ich mit [Harald Göckeritz](/person/harald-goeckeritz) einen modernen Abenteuerstoff, weil ich selten so viel Spaß bei der Herstellung eines Films hatte wie bei "Störtebeker".



Zahlen und Fakten zu "Störtebeker"





Die Crewmitglieder stammen aus vier Nationen: aus Deutschland, Litauen, Tschechien und der Schweiz.
Für die Besetzung kamen Schauspieler aus sechs Ländern zusammen: aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Österreich, Litauen und Tschechien.
Der Stab bestand aus knapp 130 Personen.
Knapp 3000 Komparsen waren über die Dreharbeiten verteilt im Einsatz.
Die Stunt-Spezialisten kamen aus Prag. Stunt-Koordinator Martin Hub war bereits an Kino-Blockbustern wie "[Troja](/movie/troja)", "[Titanic](/movie/titanic_a)", "[Der Soldat James Ryan](/movie/der-soldat-james-ryan)", "[Gladiator](/movie/gladiator)" und "[xXx - Triple X](/movie/xxx-triple-x)" beteiligt.
Hauptdarsteller Ken Duken verbrachte drei Wochen beim Stunt-Training in Prag. Er hat jede Kampfszene für den Zweiteiler einstudiert und wurde nur ganz vereinzelt gedoubelt.
Hauptdarstellerin Claire Keim schlüpfte im Laufe der Dreharbeiten in 18 verschiedene Kostüme, die aus Italien, Frankreich, Russland und Litauen beschafft wurden.
Beim Bau der Kogge, des Schiffs im Stil der Zeit (14. Jahrhundert), das im Film zu sehen ist, hat man sich am historischen Vorbild einer Kogge aus Kiel orientiert.
Die ältesten Originalsets, in denen gedreht wurde, sind die Burg Trakai nahe Vilnius und die Burganlage in Kleipeda, beide stammen aus dem 11. Jahrhundert.
Am Ende der Dreharbeiten waren 65.000 Meter Film belichtet.

Regisseur Miguel Alexandre über "Störtebeker"