Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Standen Sie nach dem Überraschungserfolg von "Bella Martha" nicht unter einem gewissen Erwartungsdruck?

Sandra Nettelbeck: Wenn man seinen zweiten Film dreht, ist das immer ein bisschen verhext. Eigentlich sollte es auch ein anderer sein. Ich wollte ursprünglich den Film "Helen" machen, was dann nicht geklappt hat. Das Drehbuch zu "Sergeant Pepper" war bereits fertig, und so entschloss ich mich kurzfristig, diesen Film zu drehen. Ich bin ein bisschen erstaunt, dass die Leute jetzt hierzulande so große Erwartungen wegen "Bella Martha" hegen. Damals war der Tenor hier eher, das sei doch ein Fernsehfilm, der nicht ins Kino gehöre, den keiner sehen wolle. Der Erfolg kam zuerst im Ausland, auf dem Festival in [Toronto](/company/toronto-international-film-festival), wo der Film wider Erwarten nach Amerika verkauft wurde, erst danach wurde in Deutschland überhaupt ein Verleih gefunden, der den Film herausbringen wollte. Die großen Lobeshymnen wurden hier nicht geschrieben, positive Presse gab es zwar, aber wenig, die Zuschauerzahlen waren moderat. In Amerika dürften die Erwartungen viel höher sein.

BF: Warum ist "Helen" nicht zustande gekommen?

SN: Weil es ein kompliziertes Projekt ist. Die Finanzierung und das Casting nimmt einfach mehr Zeit in Anspruch. Es soll ein internationaler Film werden, und ich stelle mir für die Hauptrolle eine amerikanische Schauspielerin vor. Er soll auf jeden Fall gemacht werden. Ich bin bereits mit der amerikanischen Produktionsfirma Echo Lake in Verhandlung. Mal sehen, was daraus wird.

"Ich nehme den dritten Anlauf"

BF: Warum wollen Sie "Helen" unbedingt mit US-Mitteln machen?

SN: Es ist eine sehr düstere Geschichte über Depressionen, die ich auf Englisch geschrieben habe und deshalb auch auf Englisch drehen möchte. Ich kann mir für die Geschichte keine andere Sprache vorstellen. Ursprünglich sollte [MTM Medien & Television München](/company/burkertbareissdevelopment) einer der Produzenten werden, aber die Firma gibt es nicht mehr. Das heißt, ich nehme jetzt schon den dritten Anlauf. Zuerst wollte [Pandora](/company/pandora-film-produktion_7) produzieren, dann MTM, und jetzt muss ich mir schon wieder einen neuen Partner finden. Wie gesagt, die Firma Echo Lake hat starkes Interesse.

BF: Ist es Absicht, dass "Sergeant Pepper" wie schon "Bella Martha" wieder in Hamburg spielt?

SN: "Bella Martha" sollte auf jeden Fall in Hamburg spielen. So hatte ich es schon im Drehbuch vorgesehen, und die Stadt spielt im Film einfach eine Rolle. "Sergeant Pepper" dagegen hätte überall spielen können. Aber die Hamburger Filmförderung gehörte zu den ersten, die an "Bella Martha" geglaubt hatten. Das war ein ganz toller Partner, und es lag nahe, dass ich wieder mit ihm arbeiten wollte.

BF: Die Arbeit mit Kindern und Tieren gilt als besonders schwierig. Wie haben Sie das erlebt?

SN: Klar hatte ich anfangs Bedenken, aber die haben mich nicht davon abgehalten. Der Stoff hat mich gereizt und beim Schreiben sehr amüsiert. Auch wenn ich mich schon öfter fragte, ob so eine Geschichte überhaupt machbar sei in Deutschland. Als wir in Produktion gingen, dachte ich, na gut, zweiter Film, Family Entertainment, wenn es nichts wird oder den Film keiner sehen will und ich deshalb hier nie wieder einen Kinderfilm drehen darf, wäre der Verlust für mich und die Arbeit, die ich noch machen will, kein allzu großer, da es ja eigentlich gar nicht mein Genre ist. Es war eher ein Ausflug, für mich lag der Erfolg des Films, anders als bei "Bella Martha", vor allem darin, ihn überhaupt gemacht zu haben, und zwar so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Aber ich habe den Film dennoch sehr in mein Herz geschlossen und hoffe natürlich trotzdem, dass er sein Publikum finden wird.

BF: Gab es Überlegungen, dass der sprechende Hund wie seit "[Ein Schweinchen namens Babe](/movie/ein-schweinchen-namens-babe)" mittlerweile üblich seine Lippen synchron bewegt?
SN: Ich wollte das nie, finde das furchtbar. Der sechsjährige Felix ist ja in Behandlung, weil er Stimmen hört, und die Frage, ob der Hund nun wirklich spricht oder nicht, sollte nicht sofort beantwortet werden.

BF: Sie haben sich beim Schreiben der Geschichte stark von Bill Wattersons Comic "Calvin & Hobbes" inspirieren lassen. Hätten Sie nicht lieber diesen Stoff verfilmt?

SN: Das wäre gegen Wattersons Willen. Er hat seinerzeit bis aufs Blut dagegen gekämpft, dass sein Comic verfilmt und vermarktet wird. Ich glaube, dieser schier endlose Kampf war einer der Gründe, warum er aufgehört hat. Ich habe mir allerdings sein System geborgt. Hobbes wird immer nur dann lebendig, wenn keine Erwachsenen dabei sind - Pepper spricht fast bis zum Schluss immer nur dann, wenn er mit den Kindern allein ist. Der Film ist Bill Watterson gewidmet, weil sein Comic eine wunderbare Inspiration war für Sergeant Pepper, Calvin und Hobbes begeistert bis heute Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Meine Hoffnung ist, dass "Sergeant Pepper" auch Erwachsenen gefällt.

"Meine Hoffnung ist, dass 'Sergeant Pepper' auch Erwachsenen gefällt"

BF: Dann sind die Filmzitate wie [Hitchcocks](/person/alfred-hitchcock) leuchtendes Milchglas aus "[Verdacht](/movie/verdacht)" für das erwachsene Publikum gedacht.

SN: Ja, Kameramann [Michael Bertl](/person/michael-bertl) und ich haben uns da einfach ausgetobt. In einer Szene sieht man auch die Axt aus "[Shining](/movie/shining)", und das ist sicherlich kein Film, den Kinder kennen.

BF: Sie haben in Amerika studiert und sind vom US-Kino geprägt. Ist Ihr eigentliches Ziel vielleicht, dort zu arbeiten?

SN: Auf keinen Fall, obwohl ich schon merke, dass ich mich zwischen den Welten befinde. Ich mache wahnsinnig gern Filme in Europa, gleichzeitig werden drüben Filme gemacht, die ich unendlich bewundere wie beispielsweise "[In the Bedroom](/movie/in-the-bedroom)", "[You Can Count on Me](/movie/you-can-count-on-me)" oder " [Magnolia](/movie/magnolia)". Das ist ganz großes Kino, was wir hier leider nicht haben.

BF: "Sergeant Pepper" ist Familienunterhaltung. Finden Sie, dass der Film dementsprechend gut vermarket wurde?

SN: Ich kann das nicht wirklich beurteilen, weil ich da nicht mit eingebunden bin. Den Trailer habe ich erst gesehen, als er schon drei Wochen im Kino lief. Ich habe ihn also lediglich zur Kenntnis genommen - wenn ich ihn gemacht hätte, sähe er komplett anders aus, ich würde den Film und dessen Bilder niemals so verfremden. Aber ich bin Regisseurin und kein Verleiher. Ich muss mich darauf verlassen, dass die Werbefachleute genau wissen, was sie tun. Es kann doch sein, dass der Trailer genau richtig ist und der Film ein breites Publikum findet. Die Leute von der Constantin haben ihre Erfahrungen gemacht, und der Erfolg gibt ihnen immer wieder Recht.

Sandra Nettelbeck zu "Sergeant Pepper"