Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was ändert sich durch die neue Warner-Führungsstruktur?


Willi Geike: In Zukunft wird der Blick auf die Auswertung eines Films von der Produktion bis Homevideo in einer Hand liegen, und es gibt ein Team, das
diesen Blick teilt. Unsere "Local Productions" sollen optimal produziert und durch alle Auswertungsstufen geführt werden, der Output von Warner durch die
wichtigsten beiden Verwertungsschienen, Theatrical und Home Video Distribution.


BF: Hat diese Entscheidung Pilotfunktion im internationalen Markt?


WG: Wir glauben einfach, dass wir dadurch das Produkt besser auswerten können. In Deutschland haben wir ideale Voraussetzungen, weil nicht nur ich sondern auch ein Teil des Managements in beiden Bereichen gearbeitet hat. [Christoph Liedke](/person/christoph-liedke_8) war bereits für Marketing im Video- wie im Theatrical-Bereich tätig. [Jean Hermsen](/person/jean-hermsen) war ebenfalls im Joint-Bereich tätig, bevor er Geschäftsführer von Warner Home Video geworden ist. Sogar der für den Filmvertrieb zuständige [Volker Modenbach](/person/volker-modenbach) hat ja Videoerfahrung. Aber im
Marketing und bei Business Affairs, Finance und Administration Bereich wird man die größten Synergien finden.


BF: Wie sieht der neue Aufgabenbereich des bisherigen Videogeschäftsführeres Jean Hermsen aus?


WG: Als Executive Director Business Affairs, Finance & Administration wird sich Jean Hermsen um die komplette Verbandsarbeit kümmern, aber nicht nur
wie bisher beim BVV und in der DVD AG, sondern eben auch im Verband der Filmverleiher und bei Fragen der Zusammenarbeit mit den Förderungen. Jean Hermsen wird an mich berichten, aber seinen Bereich sehr selbständig
verantworten. In der gewählten Struktur leiten alle fünf im Managementteam ihren Bereich eigenständig. Meine Aufgabe ist die strategische Ausrichtung und die Organisation der Zusammenarbeit der verschiedenen Management- und Bereichsebenen.


BF: Wie groß sind denn die Synergieeffekte?


WG: Zwischen Kino und Video ist die Verbindung ja objektiv gesehen eng, und vor allem im Marketingbereich leicht zusammenzuführen. Über eine
einheitliche Vermarktungsstruktur ist es noch einfacher, Reibungsverluste zu vermeiden, positive Kinoresultate zu verstärken, Probleme frühzeitig zu erkennen und für Video zu vermeiden. Bei Video reden wir heute hauptsächlich
über die DVD, die sich gerade zum Massenmarkt entwickelt. Kampagnen für Kinobesucher sinnvoll fortzuschreiben für den DVD-Käufer ist wichtig wie nie zuvor.


BF: Ist denn die Schnittmenge von Kinobesuchern und DVD-Nutzern hoch?


WG: Selbst, wenn sie es nicht ist, ist eine zielgruppengerechte Vermarktung einfacher, je mehr Informationen und Erfahrungen ich aus den einzelnen
Vermwertungsstufen unter einer Hand zusammenführe. Der DVD-Bereich ist in einer Aufbauphase und kann gar nicht schnell genug Produkte zur Verfügung stellen. Mit zunehmendem Angebot wird es auch hier bald darum gehen, große Titel optimal zu vermarkten.


BF: Wie sehen Sie die Entwicklung des Kino- und Videomarkts?


WG: Interessanterweise ist der Kinomarkt gerade in dem Moment gewachsen, als die DVD überhaupt erst zu einem Massenphänomen wurde. Insofern kann es gar
nicht sein, dass Kino unter DVD leidet. Es gilt die Gesamtgruppe derer, die Spielfilme konsumieren, ob im Kino, auf DVD oder später im Pay- oder Free-TV, insgesamt auszudehnen. Das geht am besten, wenn man optimale
Produkte liefert. Nichts weiter ist unsere Aufgabe!


BF: Also keine Frage von Kannibalisierung?


WG: Absolut nicht. In Deutschland gibt es nach wie vor ein großes Zuschauerpotential, das wir im Kinomarkt immer noch nicht erschlossen haben.


BF: Und wie sehen sie die Zukunft des Videoverleihs?


WG: Den wird es so lange geben, wie sich Leute eine bestimmte Menge von Filmen nur einmal anschauen und dafür einen relativ günstigen Preis bezahlen wollen. Der Verleihmarkt ist erstaunlich stabil, weil dafür eine besondere Nutzergruppe existiert. Dieses Potential wollen wir stabil halten, und wenn es auszudehnen ist, auch ausdehnen. Aber das große Wachstum kommt bei Video
von den DVD-Käufern.


BF: Wie beurteilen Sie Video-on-Demand und die Möglichkeit, sich Filme aus dem Netz zu laden?


WG: Wir haben aus den Problemen der Musikindustrie gelernt. Filme werden nur über das Internet verfügbar gemacht, wenn geklärt ist, dass dafür bezahlt wird. Es gibt in Amerika erste Versuche und ich gehe davon aus, dass dies ein neues Auswertungsmedium mit gesicherten Einnahmen für uns sein wird. Wir haben es einfacher als die Musik, weil es um andere Datenmengen geht und die lokale Sprache im Filmgeschäft eine große Rolle spielt. Außerdem wollen viele Konsumenten den Film als DVD oder VHS zuhause im Regal stehen haben.


BF: Sehen Sie vor diesem Hintergrund die Auswertungsfenster näher zusammenrücken?


WG: Für das Kino ist es wichtig, das der Konsument weiß, dass er nicht einen Monat nach Kinostart das selbe Produkt auf DVD haben kann. Das würde wirklich zu einer Kannibalisierung führen. In Deutschland wird da eine sehr vernünftige Politik gefahren und mit den jetzigen Windows können wir sehr gut leben, solange sie in Einzelfällen flexibel angewendet werden können.


BF: Wie sieht Ihre Strategie bei der Filmproduktion aus?


WG: "Local Content" ist für Warner Bros. von strategischer Bedeutung. Wir werden den Bereich "Local Productions" systematisch auf- und ausbauen. Dabei
konzentrieren wir uns auf Family Entertainment, weil diese Produkte für den Konzern international auswertbar sind, und sei es "nur" im weltweiten Video- oder TV-Bereich.


BF: Wie weit geht die internationale Verwertung?


WG: Noch nie war die Chance so groß, wie jetzt bei "[Der kleine Eisbär](/movie/der-kleine-eisbaer_d)", die
jüngsten Zuschauergruppen im Kino auch außerhalb von Deutschland anzusprechen. Konkret werden wir den Film auf seine internationale Marktfähigkeit auch im Kino testen. Wenn die Ergebnisse so sind, dass sich die Marketinginvestitionen verantworten lassen, werden wir ihn über Video und TV hinaus im Kino auswerten. Wenn das ein Konzern wie Warner weltweit macht, ist das eine Einnahmequelle, wie sie ein deutscher Film sonst niemals
haben würde. Wir wissen aus negativer Erfahrung, wie schwierig es ist, nachmachen zu wollen, was andere erfolgreich gemacht haben, ob das nun lokale Komödien oder andere Genres waren. Im Family Entertainment und im
Animation-Bereich haben wir uns zusammen mit unseren Partnern Cartoon Film und Comet Film einen Vorsprung erarbeitet, den andere erst einmal aufholen
müssen.


BF: Was heißt das für andere Eigen- und Koproduktionen?


WG: Wir haben im "normalen" Featurefilm deutschsprachig agiert und einsehen müssen, dass es nicht der richtige Weg sein kann, mehr oder weniger fertig
entwickelte Filme zu kofinanzieren, ohne grossen Einfluss auf das Development und die Produktion zu nehmen. Jaqueline Jagow wird sich als Head of Local Productions um diesen Bereich kümmern. Der Bereich Family
Entertainment ist in sicheren Bahnen. Aber wir haben einigen Nachholbedarf im Development der anderen lokalen Produktionen.


BF: Gibt es konkrete Projekte?


WG: "[Feuer, Eis und Dosenbier](/movie/feuer-eis-und-dosenbier)", eine Komödie mit [Rick Kavanian](/person/rick-kavanian) aus "[Der Schuh des Manitu](/movie/der-schuh-des-manitu)" bzw. der "Bully-Parade" und [Axel Stein](/person/axel-stein) aus "[Schule](/movie/schule)" und "[Harte Jungs](/movie/harte-jungs)", die in Koproduktion mit [Hofmann & Voges](/company/odeon-fiction) entstanden ist,
werden wir als lokale deutsche Komödie im Januar starten. Es gibt eine Reihe von Projekten im Development, bei denen erst im nächsten Jahr über eine Produktion nachgedacht werden kann. Für den lokalen Featurefilm-Bereich ist der Deal mit [X Filme](/company/x-filme-creative-pool) momentan für Warner Bros. der wichtigste.


BF: Was umfasst der Vertrag mit X-Filme und [X Verleih](/company/x-verleih-ag)?


WG: Er ist zunächst ein Auswertungsvertrag, aber auf allen Ebenen. Wo Rechte verfügbar sind, werten wir für X-Filme das Produkt im Kino, auf Video und
für TV aus. Dabei bleibt die Kino-Marketing für die Film beim X-Verleih. Wir nehmen die Disposition, das Booking und Billing, wahr. Im Videobereich sieht die Kooperation anders aus. Da liegt die gesamte Vermarktungsverantwortung bei uns, und X-Verleih ist unser Partner beim Marketing von X-Filme-Produkten im DVD- und Videomarkt.


BF: Welche weitere Kooperation könnte daraus entstehen?


WG: Wir sehen X-Filme als eine Firma, die die besten kreativen Kräfte in Deutschland zusammenführt, um Filme zu produzieren und auszuwerten. Wir sind die Kooperation eingegangen, weil wir an das große kreative Potential glauben, das dort existiert und das sich auch auf unsere Local Productions auswirken könnte. Wenn X-Filme für neue Projekte Produktionspartner sucht,
werden wir prüfen, ob wir das sein könnnen, und wir werden selbst entwickelte Projekte womöglich X-Filme zur Produktion anbieten. Das wichtigste ist, dass man gemeinsame Erfahrungen macht, und deshalb wollen
wir zunächst optimal bei der Distribution kooperieren.


BF: Wie steht es mit einem Ihren eigenen Kinohighlights, dem "kleinen Eisbär"?


WG: "Der kleine Eisbär" ist der erfolgreichste deutsche Family-Entertainment-Film aller Zeiten und hat selbst Filme wie "[Stuart Little](/movie/stuart-little)" überholt. Mit dem "kleinen Eisbär" und unserer Kampagne tragen wir dazu bei, das jüngste Publikum so früh wie möglich für das Kino zu
begeistern. "Mein erster Kinofilm" war das Motto, das wir beim "Eisbär" optimal umsetzen wollten und auch geschafft haben. Auf diesen Erfolg können wir mit unseren zukünftigen Family-Entertainment-Produkten aufbauen.


BF: Alle voreiligen Spekulationen sind wahr geworden. Das nächste Paket mit New-Line-Filmen wird von Warner in deutsche Kinos gebracht.


WG: Das ist absolut richtig.


BF: Bereits "Herr der Ringe - Teil 1" wird der erste New-Line-Film bei Warner sein. Wie wirkt sich der kurzfristige Wechsel von Kinowelt zu Warner auf die bisherigen Startvorbereitungen aus?


WG: Wir werden einen nahtlosen Übergang haben.


BF: Ergeben sich durch die zeitliche Nähe zum "Harry Potter"-Start nun doch Probleme?


WG: Nein. Der Starttermin von "Herr der Ringe" bleibt wie geplant der 19. Dezember.


BF: Abgesehen von "Herr der Ringe" sollte "Harry Potter" größter Titel dieses Jahres sein...


WG: "Harry Potter" und "Herr der Ringe" werden beide die erfolgreichsten Titel sein, die Warner Bros. in Deutschland je veröffentlicht hat. "Harry Potter" verfügt in Deutschland über ein Potential, von dem man nur träumen kann. Unsere Erwartungen sind riesig. Es wurden allein zwölf Mio. Bücher verkauft, und alle anderen Produkte, die es im Zusammenhang mit dem Kinorelease gibt, verkaufen sich sensationell. Christoph Liedke und sein Marketingteam werden hier alle Möglichkeiten ausschöpfen. Aber wir haben nicht nur große Erwartungen, wir sind auch sicher, das wir sie erfüllen können. Wichtig ist, dass man bereits jetzt Karten für das Startwochenende und danach reservieren kann. Wir haben dafür mit den Kinobetreibern ein Programm aufgelegt. Im Fall von "Harry Potter" ist es entscheidend, weil die
Leute den Film sofort sehen wollen. Das gleiche gilt für "Herr der Ringe". Auch hier gibt es ein riesiges Potential an Kinozuschauern, und der Vorverkauf wird mit dem Start von "Harry Potter" beginnen.

Warner Bros. Deutschland-Chef Willi Geike im Gespräch