Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt: Film: Ihr Film erhielt 2001 in [Cannes](/company/festival-de-cannes) die Caméra d'or und verschiedene andere Auszeichnungen und wurde zum internationalen Kunstkinohit. Ist für Sie ein Traum wahr geworden?

[Zacharias Kunuk](/person/zacharias-kunuk): Ich hatte gar keinen solchen Traum. Ich wollte nur, dass "Atanarjuat" den Inuit gefällt. Mein Plan war es eher, den Film loszuschicken und zu sehen, welche Fehler ich gemacht habe. Dass alles so gut läuft, macht mich eher misstrauisch.

BF: Gefiel Ihr Film den Inuit?

ZK: Ich glaube, jeder von uns hat ihn schon wenigstens unzählige Male gesehen.

BF: Wie entstand der Plan für "Atanarjuat"?

ZK: Seit 1985 produzierten meine Partner und ich Fernsehprogramme und Kurzfilme für die Inuit, in denen wir die ursprüngliche Lebensweise unseres Volkes darstellten. Unter anderem drehten wir eine 13,5-stündige TV-Serie über den Inuit-Alltag 1945, die von der Inuit Broad-casting Corporation ausgestrahlt wurde. Der nächste Schritt war es, einen richtigen Spielfilm zu drehen. "Atanarjuat" ist eine 1000 Jahre alte Geschichte, die wir alle von unseren Eltern erzählt bekamen. Unsere ganze Kultur beruht auf mündlicher Überlieferung. Und wir wollten diese Traditionen im Film wieder beleben.

BF: Auf welche Weise schreibt man ein Drehbuch für eine Geschichte, die nicht schriftlich festgehalten ist?

ZK: Unser Drehbuchautor [Paul Apak Angilirq](/person/paul-apak-angilirq), der vor Vollendung des Films starb, führte Interviews mit verschiedenen Stammesältesten. Auf dieser Grundlage schrieb er das Skript zusammen mit fünf anderen Autoren. Parallel dazu besprach er jede Einzelheit des Drehbuchs mit den Ältesten.

BF: Das "Atanarjuat"-Skript entstand also im Kollektiv?

ZK: Nicht nur das Skript, sondern auch der Film. Wir machten ihn nach der Inuit-Methode, das heißt, jeder hatte etwas zu sagen, vom Kameramann bis zum Requisiteur. Denn zwei Köpfe sind immer besser als einer. Dadurch haben wir zwar länger gebraucht, aber die Leute fühlen sich viel wohler dabei.

BF: Was hat Ihr Film gekostet?

ZK: Zwei Millionen kanadische Dollar.

BF: War es schwer, das Geld aufzutreiben?

ZK: Und wie. Für unsere Kurzfilme hatten wir Fördergelder von der kanadischen Regierung bekommen. Aber die maximale Fördersumme für Projekte der Ureinwohner liegt zwischen 100.000 und 200.000 Dollar. Wir dagegen brauchten das Budget für einen englisch- oder französischsprachigen Film. Deshalb gingen wir an die Öffentlichkeit und trugen unseren Fall im Radio vor. Nach langen Diskussionen erklärte sich das National Film Board bereit, den Film kozuproduzieren. Dann klappte die Finanzierung reibungslos.

BF: Nehmen wir an, Hollywood böte Ihnen zehn Mal so viel Geld, um ein Remake zu drehen.

ZK: Ich würde es trotzdem nicht machen. Bloß weil du mehr Geld hast, drehst du noch lange keinen besseren Film.

BF: Sie haben keine Lust, einen Film zu machen, der sich nicht mit den Inuit beschäftigt?

ZK: Nein, denn ich bin darauf nicht spezialisiert. Ich kenne mich nur mit unserem Land und unseren Menschen aus.

BF: Wie gut kennen Sie sich mit Hollywoodfilmen aus?

ZK: Ich bin mit ihnen aufgewachsen. Vor allem habe ich John-Wayne-Western gesehen.

BF: Sind Western anders als Inuit-Geschichten?

ZK: Die Themen sind ähnlich: Jemand, der in Unglück und Gefahr gestürzt wird, muss sich wieder nach oben kämpfen. Aber von der Struktur her gibt es viel mehr Gemeinsamkeiten zu östlichen Filmen zu entdecken.

BF: Welche Filme meinen Sie?

ZK: Zum Beispiel das Werk von [Kurosawa](/person/akira-kurosawa). "[Die sieben Samurai](/movie/die-sieben-samurai)" ist einer meiner Lieblingsfilme.

BF: Welches Projekt bereiten Sie als Nächstes vor?

ZK: Die Geschichte, die im 19. Jahrhundert spielt, erzählt von der Ankunft der Missionare und Pelzhändler im Inuit-Gebiet und den Auswirkungen auf unsere Kultur. Damals zwängte man uns das Christentum auf und versuchte unsere Traditionen wie den Schamanismus auszulöschen.

BF: Gibt es noch andere Filmemacher Ihres Volkes, die diese Überlieferungen in Zukunft bewahren wollen?

ZK: Ich sehe sie noch nicht. Derzeit ist unsere Firma Isuma Productions der einzige Inuit-Filmproduzent. Aber ich hoffe sehr, dass sich das ändert.

Zacharias Kunuk über "Atanarjuat", den ersten Inuit-Film