Blickpunkt:Film

Kino

[Christian Sommer](/person/christian-sommer_a) ([MPA](/company/motion-picture-association-mpa)) über den Entwurf des Bundeshaushalts 2026 zur Filmförderung, zum geplante Investitionsverpflichtungsgesetz, Risiken für den Filmstandort Deutschland – und die Notwendigkeit eines echten Branchendialogs.


**Herr Sommer, am 23. Juli 2025 waren Mitglieder der MPA zu einem Gespräch mit Staatsminister Dr. [Weimer](/person/dr-wolfram-weimer) im Bundeskanzleramt eingeladen. Wie war Ihr Eindruck von dem „Streaming-Gipfel“?**

**Christian Sommer:** Das Treffen war konstruktiv, offen und von gegenseitigem Respekt geprägt – so wurde es von allen Beteiligten wahrgenommen. Wir hatten den Eindruck, dass es der Auftakt für einen ernsthaften und lösungsorientierten Dialog sein könnte, in dem man gemeinsam tragfähige Modelle für die Zukunft des Filmstandorts Deutschland entwickelt. Deshalb haben wir auch die Ankündigung des Staatsministers, sich zeitnah erneut treffen zu wollen, sehr begrüßt. Allerdings ist die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Dialogs unter Beteiligung aller relevanten Marktakteure durch die aktuellen Entwicklungen getrübt. In der Pressemitteilung vom 30. Juli zur Verabschiedung des Haushaltsvorschlags 2026 war zu lesen, dass ein Gesetzentwurf für eine Investitionsverpflichtung bereits „zeitnah“ – also nach der Sommerpause – in die Ressortabstimmung gehen soll, gefolgt von einer breiten Branchenanhörung. Das lässt Zweifel daran aufkommen, ob es wirklich um Dialog auf Augenhöhe geht.

**Sie befürchten, dass die geplante Branchenanhörung nur ein Ersatz für die angekündigten Gespräche sein könnte?**

**Sommer:** Das ist genau unsere Sorge. Die Ankündigung einer „breiten Branchenanhörung“ wirkt auf unsere Mitglieder so, als ob sie die ursprünglich zugesagten vertieften Gespräche mit den betroffenen Unternehmen ersetzen soll. Das wäre ein Rückschritt. Dialog bedeutet nicht, Positionen im Nachhinein über Formate wie Anhörungen zu legitimieren, sondern frühzeitig gemeinsam zu entwickeln.

**Was spricht aus Ihrer Sicht gegen eine gesetzliche Investitionsverpflichtung?**

**Sommer:** Eine solche Verpflichtung ist aus unserer Sicht kein geeignetes Mittel, um den Filmstandort nachhaltig wettbewerbsfähig zu machen. Sie ist ein tiefer Eingriff in einen funktionierenden Markt, der sich in den vergangenen Jahren in Deutschland dynamisch entwickelt hat – auch durch internationale Investitionen. Eine gesetzliche Quote verfehlt die reale Marktnachfrage, erhöht die Produktionskosten, produziert neue Bürokratie und kann im schlimmsten Fall sogar zu weniger Produktionen führen. Ein gesetzliche geregelter Rechterückfall würde Marktmechanismen bei finanziellen Risiken auf den Kopf stellen und die Vertragsfreiheit aushebeln.

**Das heißt, die deutsche Produktionswirtschaft würde nicht profitieren? Produzenten in Deutschland fordern Investitionsverpflichtung vehement.**

**Sommer:** Eine solche Verpflichtung kann sich europarechtlich nur auf „europäische Werke“ beziehen – das heißt: Produktionen, die nicht zwangsläufig in Deutschland stattfinden müssen, sondern nahezu überall in Europa. Deutschland selbst würde also nicht automatisch profitieren. Hinzu kommen strenge Anforderungen aus dem EU-Recht: Diskriminierungsfreiheit, Verhältnismäßigkeit, Transparenz und klar definierte Ausnahmen. Ob die bisherigen Überlegungen diesen Anforderungen gerecht werden, erscheint fraglich – mit der Folge jahrelanger Rechtsunsicherheit.

**Oft wird Frankreich als positives Beispiel angeführt. Was entgegnen Sie?**

**Sommer:** Der Vergleich mit Frankreich wird zu oft zu undifferenziert bemüht. Das dortige System ist seit Jahrzehnten tief eingebettet in ein komplexes Netz an Regelungen, die eng ineinandergreifen. Zudem wird der Investitionsumfang direkt an das Auswertungsmodell gekoppelt, inklusive Staffelung der Auswertungsfenster je nach Investitionsvolumen. So etwas lässt sich nicht ohne Weiteres übertragen. Und es laufen ebenfalls Verfahren gegen das französische System. Dazu kommt, dass die Europäische Kommission das französische System ebenfalls als nicht verhältnismäßig ansieht und dieses explizit in Frage stellt.

**Im Haushaltsentwurf 2026 sind aber deutliche Erhöhungen bei [DFFF](/company/dfff-deutscher-filmfoerderfonds) und [GMPF](/company/german-motion-picture-fund) vorgesehen, was in der Branche auf viel Zustimmung stößt. Ist das nicht ein wichtiges Signal?**

**Sommer:** Ich wundere mich sehr über die zahlreichen Lobpreisungen für eine zunächst faktische Kürzung um 3 Millionen Euro auf 130 Millionen Euro. Das Problem liegt im „Wie“: Diese Erhöhungen stehen unter einem gesonderten und wohl einmaligen Genehmigungsvorbehalt des Bundesfinanzministeriums und sollen von der Einführung einer Investitionsverpflichtung abhängig gemacht werden. Es stellt sich die Frage: Wer entscheidet über die Genehmigungsfähigkeit? Welche Kriterien gelten? Und wie unabhängig ist dieser Prozess wirklich? Ein einzelnes Ministerium könnte dadurch Druck auf einen demokratischen Prozess ausüben – das ist institutionell wie demokratisch problematisch. Und es schafft Unsicherheit – das Gegenteil von dem, was die Branche braucht.

**Staatsminister Weimer hat dies als „optimale Lösung“ bezeichnet. Aus ihrer Sicht aber ein Rückschritt gegenüber früheren Überlegungen? **

**Sommer:** Ja. Frühere Pläne – wie das Filmförderzulagengesetz (FFZulG) – sahen ein ungedeckeltes steuerliches Anreizmodell vor, das unabhängig vom Haushalt funktionierte. Das hätte Planbarkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit bedeutet und alle hätten profitiert. Dies wurde nun für diese Legislaturperiode beerdigt, weil die Bundesregierung die Verhandlung mit den Ländern gescheut hat. Die nun vorgesehene Erhöhung – die bis zur Genehmigung sogar eine faktische Kürzung ist – ersetzt dieses Modell nicht. Sie bleibt hinter dem zurück, was der Koalitionsvertrag angekündigt hatte. Ein echter „Gamechanger“ sieht anders aus. Der Köder muss immer noch dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.

**Der Koalitionsvertrag spricht von einer zweistufigen Reform. Wird dieser noch eingehalten?**

**Sommer:** Mit der Umdeutung des bisherigen Anreizes als „steuerliches Anreizmodell“ hat sich die Bundesregierung bei der Filmförderreform vom Koalitionsvertrag verabschiedet. Dieser Vertrag sieht eine zweiteilige Reform vor – ein steuerliches Anreizsystem kombiniert mit einer Investitionsverpflichtung, auch wenn wir die Komponente Investitionsverpflichtung seit jeher ablehnen. Nun aber wird die vermeintliche Erhöhung der Förderung als steuerlicher Anreiz verkauft, obwohl sie haushaltsgebunden und genehmigungspflichtig ist. Und die Investitionsverpflichtung wird allein auf Streaminganbieter fokussiert, obwohl im Vertrag davon keine Rede ist. Auch die bestehende [FFA](/company/ffa-filmfoerderungsanstalt)-Filmabgabe könnte man mit derselben Logik als Investitionsverpflichtung darstellen, die dem Koalitionsvertrag entspricht. Europarechtlich ist das übrigens nicht vorgeschrieben: Lediglich die Möglichkeit, einen finanziellen Beitrag zur Produktion von europäischen Werken zu fordern, wird geschaffen. Das leistet auch die FFA-Abgabe.

**In Interviews hat Staatsminister Weimer wiederholt internationale Streaminganbieter als „US-Monopolisten“ bezeichnet, die angeblich die Meinungsfreiheit gefährden und hat nach dem Streaming-Gipfel von einem „asymmetrischen Markt“ gesprochen. Was sagen Sie dazu?**

**Sommer:** Solche Zuschreibungen entbehren jeder sachlichen Grundlage. Die [ARD](/company/ard)/[ZDF](/company/zdf)-Medienstudie 2024 zeigt: Die öffentlich-rechtlichen Mediatheken führen in der Gesamtnutzung. Kein privater Anbieter hatte bei Neuabschlüssen von Abonnements mehr als 25 % Marktanteil im letzten Quartal. Laut [AGF](/company/agf-arbeitsgemeinschaft-fernsehforschung) lagen die täglichen Sehdauern im Bewegtbildmarkt im Juni 2025 bei ARD, ZDF, [RTL](/company/rtl) und [ProSiebenSat.1](/company/prosiebensat1-media-se) jeweils bei 26 bis 45 Minuten – die der internationalen Streaminganbieter zwischen sechs und einer Minute. Das sind keine Monopole, nicht einmal ansatzweise.

**Was ist Ihrer Einschätzung nach das Ziel dieser Rhetorik?**

**Sommer:** Staatsminister Weimer hat jüngst in einem Podcast von Table.Media klargestellt, dass er die von ihm erwähnten – vermeintlichen - „Kartelle und Monopole bekämpfen“ will. Damit werden staatliche Eingriffe in einen wettbewerbsintensiven, dynamischen und funktionierenden Markt gerechtfertigt, also die Investitionsverpflichtung. Auch diese argumentative Grundlage fällt angesichts der tatsächlichen Marktverhältnisse in sich zusammen. Eine solche Rhetorik zeugt übrigens auch nicht gerade davon, einen offenen und konstruktiven Dialog führen zu wollen. 

**Was fordern Sie stattdessen?**

**Sommer:** Verlässlichkeit, Planungssicherheit, internationale Wettbewerbsfähigkeit – das sind die Grundlagen, um dauerhaft Investitionen anzuziehen. Was derzeit diskutiert wird, schafft das Gegenteil: Unsicherheit, Abhängigkeit von politischem Wohlwollen und potenziellen Rückzug von Investoren. Richtig wäre es, mit einem wettbewerbsfähigen Anreizmodell zu starten und den Dialog mit der Branche ernsthaft und zielorientiert weiterzuführen.

**Und wie möchte sich die MPA künftig einbringen?**

**Sommer:** Die MPA und ihre Mitglieder verfügen über weltweit einzigartige Erfahrung – regulatorisch, wirtschaftlich und produktionstechnisch. Diese bringen wir gern in einen echten Dialogprozess ein. Unser Ziel ist, dass mehr Blockbuster und Serienhits „Made in Germany“ entstehen können. Dafür braucht es aber ein echtes Miteinander und Dialog – nicht Symbolpolitik.



Christian Sommer: „Was derzeit diskutiert wird, schafft Unsicherheit – nicht Investitionen“