Blickpunkt:Film

Reviews

Hochglanz-Erotikthriller über eine junge Deutsche, die ihre jüngere Schwester auf Mallorca besucht und in eine Intrige hineingezogen wird.

Als Lilli am Flughafen von Palma ankommt, wo sie ihre jüngere Schwester Valeria besuchen will, die auf Mallorca lebt, sieht man sie die Gänge entlanggehen, eine selbstbewusste junge Frau, gespielt mit einer Mischung aus Souveränität und emotionaler Offenheit von [Svenja Jung](/person/svenja-jung), geschmackvoll gekleidet für Erfolg, eine, der man nichts vormachen kann. Denkt sie. Denkt man. Sie geht die Schiebetür nach draußen zu, auf die täuschend echt eine Tapete mit Palmen geklebt ist. Als sie sich öffnet, gibt sie den Blick auf echte Palmen frei. 

Das wird eines der Themen des Films sein: Was ist fake, was ist echt? Lilli wird von Valeria abgeholt im schnittigen roten Sportwagen, und als er sich den Weg entlang der Küstenstraße bahnt, erklingt auf dem Soundtrack „Heart of Glass“, aber nicht im Original von Blondie, sondern einer live eingespielten Version von Miley Cyrus. Was ist fake, was ist echt? „Seemed like the real thing, but I was so blind / Mucho mistrust, love’s gone behind“, heißt es im Text. Lilly wird auf die Probe gestellt werden im Verlauf der Handlung ebenso wie Valeria und die innige Beziehung der beiden Schwestern. Wem kann man vertrauen, wer ist fake, wer hat ein Herz auf Gold, wer aus Glas? Viele Überraschungen warten auf die beiden. „Weißt du, was das Geheimnis eines erfolgreichen Betrugs ist? Der Betrüger weiß genau, was du dir am sehnlichsten wünschst“, hört man Svenja Jung ganz zu Beginn aus dem Off erzählen. 

Valeria hat sich zu Lillys Überraschung mit dem jungen Franzosen Manu verlobt, den sie erst seit vier Monaten kennt und von dem die große Schwester zum ersten Mal hört, und will mit ihm ein Bed & Breakfast eröffnen. Lilly selbst lernt den Nachtclub-Manager Tom kennen, der im Haus neben der stattlichen Finca von Manus Tante lebt, wo Valeria ihre Schwester untergebracht hat, und beginnt eine heiße Äffäre, etwas rein Körperliches, Animalisches, das sie nach ihrer Trennung unlängst von ihrem Lebensgefährten braucht. Und sich nimmt. Während sie sofort zu wissen glaubt, dass Manu ein falscher Fuffzger ist, ein Leichtmatrose, der nicht unbedingt das Beste für Valeria im Sinn hat, erkennt sie erst einmal nicht, dass auch Tom nicht der ist, der er vorzugeben glaubt. Alle haben eine Agenda in dieser Geschichte von Betrug und Täuschung, und die Schwestern sind das Ziel einer größer eingefädelten Sache.

„[Fall for Me](/movie/fall-for-me)“ ist Oberflächenreiz pur, reine Anmache: schöne Menschen, attraktive Kleidung, coole Clubs, edle Häuser, entzückende Vistas. Aber obwohl Kameramann Marc Achenbach, der viele Jahre eng mit Detlev Buck verbunden war und sich erst jüngst für die Arbeiten anderer Regisseure geöffnet hat wie „Blood & Gold“ und „Spieleabend“, beide für Netflix, so viel Licht durch seine klaren Bilder wie aus Reisekatalogen und Hochglanzmagazinen fluten lässt, dass kein Winkel unausgeleuchtet bleibt, spürt man, wie sich mehr und mehr ein Schatten über das Dolce Vita zu legen scheint, dass Trouble in Paradise hinter jeder Ecke lauern könnte und schließlich auch tut, sich ein Thriller in das unbeschwerte Treiben drängt. Das ist unheimlich gut gemacht, immer auf maximale Wirkung angelegt, souverän inszeniert von [Sherry Hormann](/person/sherry-hormann) in ihrer ersten Filmarbeit seit „Nur eine Frau“ aus dem Jahr 2019, ein Film für den schnellen Konsum, ex und hopp, ein bisschen Kitzel, aber eben auch die Geschichte einer Frau, die sich nicht vor einen Karren spannen lässt und sich auch beim Sex das nimmt, was sie will, auch wenn das heißt, sich dem Moment und dem Liebhaber auszuliefern. Es ist ihre Party, und sie weint, wenn sie es will. 

Es wäre wohl übertrieben, nach dem erst zweiten Film bereits von einem neuen Genre zu reden. Aber es fällt schon auf, dass „Fall for Me“ ganz offenkundig aus demselben Holz geschnitzt ist wie „Un/Dressed“ für Prime aus dem letzten Jahr, eine ganz andere Form des Erotikthrillers, der von Gefahr und Abgründigem erzählt, aber von dem keine Gefahr oder Abgründiges ausgeht, ein Hauch von Telenovela mit mehr nackter Haut, wenngleich jeweils clever variiert und ganz anders gewürzt: Beide stammen aus der Erfolgsschmiede von Wiedemann & Berg und der Feder von Stefanie Sycholt, beleuchten auf ihre Art aber jeweils andere Facetten von Lust und Leidenschaft in einem Ambiente möglicher Bedrohung, in dem die Frauen im Mittelpunkt der Handlung, Lena Meckel hier, Svenja Jung da, eben nicht ihren Mann stehen müssen, um stark zu sein, sondern immer Frauen mit weiblichen Attributen bleiben dürfen, während blöde Macker und durchtriebene Matriarchinnen ihrer habhaft werden wollen. So clever ist „Fall for Me“ aber allemal, mit dem von [Theo Trebs](/person/theo-trebs) cool gespielten Tom auch eine männliche Identifikationsfigur bereitzuhalten, ein möglicher Bad Boy vielleicht, aber einer der mit sich ringt und die Dinge wieder gutmachen will. Zur soliden Besetzung zählen außerdem Tijan Marei, Antje Traue, Thomas Kretschmann und Lucía Barrado, aber die Show gehört Svenja Jung. Und Mallorca, das fast so schön sein darf, wie Sherry Hormann ihre Stars in Szene setzt. Yeah, riding high, on love’s true bluish light.

*Thomas Schultze*

REVIEW STREAMING: „Fall for Me“