Blickpunkt:Film

**Frau Gwyn, Herr Weiland, Sie versuchen mit den[ Black Forest Studios](/company/black-forest-studios) im deutschsprachigen Raum in den Microdrama-Markt einzusteigen. In den USA herrscht derzeit eine regelrechte Goldgräberstimmung. Worin liegt für Sie der Anreiz, Microdrama-Formate auch in Deutschland anzubieten?**

**[Sebastian Weiland](/person/sebastian-weiland_1):** Wir haben den Aufschwung des Formats sehr intensiv mitbekommen, weil wir viele Jahre in Los Angeles gelebt und dort unser Business aufgebaut haben. Natürlich geht so ein Trend nicht spurlos an einem vorbei. Vor zwei Jahren entwickelte sich der Boom in China, letztes Jahr dann massiv in den USA. Wir fanden diese Produktionsvariante sehr spannend. Die Black Forest Studios haben wir 2020 gegründet. Mit einer kompletten Infrastruktur im Rücken Microdramas zu produzieren, fanden wir sehr attraktiv. Wir beobachten die Marktentwicklung national, europaweit und international. Es findet eine starke Veränderung statt: Klassische Formate funktionieren nicht mehr wie früher, TV und Kino kämpfen. Gleichzeitig verändert sich das Konsumverhalten – vor allem bei jüngeren Generationen. Inhalte werden primär auf dem Smartphone konsumiert, also vertikal. Studien zeigen eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne. Ein neuer Markt entsteht, der sich genau daran anpasst. Das haben wir erkannt – und daher dieses neue Venture im Frühjahr gestartet.

![„Mountain Medical Klinik“ ist eines der ersten Microdrama-Projekte der Black Forest Studios (Credit: BFS)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/383b6492-590a-48c5-b116-c416106abaf4.jpg)

**Im deutschsprachigen Raum betreten Sie Neuland. Orientieren Sie sich eher an internationalen Vorbildern oder versuchen Sie, lokale Einflüsse einzubinden?**

**Sebastian Weiland:** Microdramas sind ursprünglich eine Verfilmung sehr einfacher Stoffe – eher Telenovela-ähnliche Inhalte. Sehr simple Konzepte, simpel produziert. Wir haben früh festgelegt, dass dieser Ansatz in Europa so nicht funktionieren würde. Hier gelten andere Anforderungen und Wertevorstellungen. Unsere Idee war: Wir wollen Microdramas nach Europa bringen, aber die Qualität von Beginn an höher ansetzen. Das beginnt bei den Drehbüchern, die eine gewisse Wertigkeit haben müssen. In China und den USA laufen Romance-Themen besonders gut. Nina leitet unseren Writers Room und hat sofort begonnen, Stoffe für dieses neue Genre anzupassen. Microdramas haben eine andere Struktur als klassische Filme.

**[Nina Gwyn:](/person/nina-gwyn-weiland)** Wir sehen eine größere Bandbreite. Wir gehen auch in die Horror- und Doku-Richtung und wollen zusätzlich ein jüngeres Publikum ansprechen. Wir kuratieren Stoffe bunt und so, dass wir sagen können: Wir sind Europäer und wollen unseren Blickwinkel vermitteln. Das ist der Hauptunterschied.

**Wie war es, Personal in Deutschland für Microdramas zu gewinnen? Mussten Sie viel Überzeugungsarbeit leisten?**

**Sebastian Weiland:** Oft war die erste Reaktion: „Ich mache mit, aber bitte unter anderem Namen.“ Am Set war es dann großartig. Wir arbeiten mit Festangestellten und Freelancern, die Teams sind klein, das Umfeld familiär. Seit September sind wir mit den ersten Serien in Produktion. Ich dachte anfangs, es würde schwierig werden, Personal zu finden – man muss das Konzept ja erst erklären. Was mich überrascht hat: Alle waren sehr offen. Auch finanziell gab es wenig Diskussionen; den Mitwirkenden ist wichtig, Spaß am Set zu haben. Die Filmindustrie ist in keinem guten Zustand, besonders in Deutschland sieht es düster aus. Viele sagen: „Ich bin froh, arbeiten zu können.“ Auch die große Bereitschaft der Schauspieler:innen hat uns überrascht – manche fahren für einen Drehtag aus Berlin oder Hamburg in den Schwarzwald, für vergleichsweise kleines Geld.

**Nina Gwyn:** Schwieriger war es manchmal mit den Agenturen. Microdramas müssen in der Branche erst ankommen – das gibt es hier schlicht noch nicht. Viele Agenturen haben das Format nicht auf dem Schirm. Da beginnt unsere Pionierarbeit: überzeugen und ein Umdenken anstoßen. Microdramas sind nichts Schlechtes, nur kleiner. Das Budget liegt nicht bei 3 Millionen, sondern bei 300.000 Euro. Und die Gagen entsprechend bei 2.000 statt 20.000 Euro. Wir wollen sagen: Wake up!

**Sie haben angekündigt, dass die Produktionsprozesse stark verschlankt werden sollen. Spielt KI dabei eine Rolle?**

**Nina Gwyn:** Wir arbeiten sehr gerne mit KI. Wir sind nicht abgeschreckt, sondern nutzen Tools in allen Produktionsbereichen. Wir werden mithilfe von KI auch Animationsformate entwickeln. KI ist für uns ein unterstützendes Element.

**Sebastian Weiland:** KI ermöglicht überhaupt erst das, was Microdrama-Produktionen brauchen. Microdramas werden nur zu einem Bruchteil des Budgets von TV- oder Spielfilmen produziert – 200.000 bis 500.000 Euro pro Serie. Die Episoden sind kurz, ein bis zwei Minuten, eine Staffel hat 60 bis 80 Folgen. Jede endet mit einem kleinen Cliffhanger. Man muss anders denken, anders und schneller produzieren. KI hilft dabei enorm: bei Drehplänen, Schnitt, Postproduktion – und zunehmend auch während der Produktion. In einer Serie stürzt ein Helikopter über einer europäischen Großstadt ab – das könnten wir mit Minibudget nicht real drehen. Für das mobile Format braucht man diese Detailgenauigkeit auch nicht. In China entstehen erste Serien komplett mit KI. 

**Nina Gwyn:** Wichtig ist: KI funktioniert nicht von selbst. In jedem Bereich stehen kreative Köpfe dahinter. KI ist kein Feind, sondern ein Mittel zum Zweck.

![Effizient und effektiv: Die Set-Crew beim Dreh eines Microdramas (Credit: BFS)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/7c355403-3c25-457d-9520-8bd342b70f43.jpg)

**In China und den USA mussten Infrastrukturen aufgebaut werden, um Microdramas kommerziell anbieten zu können. Wie wollen Sie das in Deutschland lösen?**

**Sebastian Weiland:**Wir schaffen ein vollumfängliches All-in-System – eine 360-Grad-Full-Service-Produktion von A bis Z. Bei uns entstehen Microdramas von der Konzeption über Drehbuch, Produktion und Finalisierung bis hin zum eigenen Streaming-Paket. Vorbild sind die Crazy Maple Studios mit ihrer App ReelShort: ein Studio, das am Fließband produziert und über eine eigene App vertreibt. Unsere App orientiert sich daran, sie erscheint im Frühjahr. Wichtig ist der europäische Aspekt: Wir wollen nicht nur Inhouse produzieren; so viel könnten wir gar nicht. Wir sprechen mit Partnerunternehmen in Europa, die Auftragsproduktionen für uns übernehmen. Eine App lebt von Vielfalt. Deshalb stützen wir uns auf drei Säulen: Eigenproduktionen, europäische Auftragsproduktionen und Lizenzgeschäft.

**Ältere Generationen sehen TikTok-ähnliche Formate kritisch, Stichwort sinkende Aufmerksamkeitsspanne. Was entgegnen Sie?**

**Nina Gwyn:** Das ist die Realität, und die können wir nicht ändern. Wir müssen darauf antworten – indem wir Content anbieten, der wertvoll sein kann.

**Sebastian Weiland:** Wir haben sieben Kinder zwischen fünf und 31 Jahren – wir bekommen die gesamte Bandbreite der aktuellen Themen mit. Diese Erfahrungen sind für uns eine Goldgrube. Wenn wir als Familie einen Film schauen, müssen wir die Kinder oft ermahnen, weil sie gleichzeitig aufs Handy schauen. Und der Content dort ist häufig nicht wertvoll. Da sehen wir unsere Verantwortung: Inhalte zu schaffen, die diese Generation abholen, cool sind, aber kein völliger Schrott.

**Nina Gwyn:** Unsere Serien bestehen aus ca. 30 Folgen und lassen sich theoretisch binge-watchen – im Grunde ist jede Serie ein in Episoden aufgeteilter Film. Wir wollen außerdem eine Chatfunktion anbieten, um Austausch zu ermöglichen und Vereinsamung vor dem Bildschirm entgegenzuwirken.

Interessant war bei unserer Marktanalyse: Hauptsächlich Frauen in meinem Alter schauen Microdramas. In Europa muss das Bewusstsein für die Formate erst wachsen – aber das passiert gerade. Wir beobachten die Zahlen aus den USA; einige Apps haben es bereits nach Europa geschafft, oft schlecht synchronisiert. Darüber bekommen wir ein Gefühl, wohin die Reise hier gehen kann.

**Wie wollen Sie die Nutzer:innen auf Ihre Plattform bekommen?**

**Nina Gwyn:** Über soziale Medien. Wir setzen auf Freemium: Die ersten fünf bis sechs Episoden gibt es kostenlos auf TikTok, Instagram, Facebook, YouTube etc., um einen Hook zu setzen. Wer weitersehen will, lädt die App herunter – dort greift das Abo. Influencer spielen eine große Rolle, als Darsteller:innen und als Partner mit ihren Communitys.

**Sebastian Weiland:** Ein zweites Thema sind Brands. Microdramas sind für Marken extrem interessant, weil sie Zielgruppen präzise erreichen können. Wir setzen am Anfang auf ein sehr günstiges Abo – anders als in den USA, wo es teurer ist. So wollen wir der Subscription-Fatigue entgegenwirken.

![Die Black Forest Studios profitieren von ihrer Lage zwischen dem malerischen Schwarzwald und der Nähe zu den europäischen Nachbarn (Credit: BFS)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/408365da-21ac-428d-8c8a-99ec0dd83efd.jpg)

**Ein Blick in die Zukunft: Wohin entwickelt sich Microdrama in den nächsten fünf bis zehn Jahren? Und wo sehen Sie die Black Forest Studios?**

**Nina Gwyn:** Wir erwarten einen großen Hype in Europa. 

**Sebastian Weiland:** Eine Zehnjahresprognose wage ich nicht. Aber neben dem dualen Format bin ich überzeugt: Die Zukunft ist vertikal. Wir produzieren seit fast 30 Jahren Film – auch für uns ist das eine große Umstellung. 

**Nina Gwyn:** Aber wir stellen fest: Dem Zuschauer fällt das kaum auf. Die Bildsprache ist eine andere – man schaut wie durch ein Schlüsselloch, ist näher und emotionaler dran.

**Sebastian Weiland:** Ich bin überzeugt, dass sich das vertikale Format massiv durchsetzen wird. In China hat es den Kinomarkt schon umsatzmäßig überholt, in den USA geht es durch die Decke. Vertikale Streaming-Apps sprießen wie Pilze aus dem Boden. Große Studios schalten um. Die SAG hat das Format offiziell anerkannt. Ja, man produziert günstiger – aber man kann trotzdem hochwertig produzieren, mit Kreativität. Viele Top-Filmschaffende suchen gerade Jobs und sind dankbar für diese Option.

In Deutschland sind wir bei Innovationen oft bedächtiger. Aber Microdrama wird sich in Europa zu 100 Prozent durchsetzen. Wir wollen als Black Forest Studios First Mover sein und Expertise aufbauen. Unsere Lage im Südwesten Deutschlands ist ideal für europäische Zusammenarbeit. Außerdem haben wir ein hochkarätiges Advisory Board zusammengestellt, das uns unterstützt.

**Nina Gwyn:** Microdrama ist ein Entertainment-Format – nicht weltbelehrend oder weltverbessernd und inhaltlich nicht auf dem Niveau eines großen Oscarfilms. Aber das ist auch nicht unser Anspruch. Was wir wollen, ist Menschen unterhalten.

Nina Gwyn & Sebastian Weiland: „Die Zukunft ist vertikal“