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Reviews

Multi-Tasking ist so eine Sache. In der Psychologie häufig als Mythos verschrien, Männern wird die Fähigkeit gerne gänzlich abgesprochen. Eine Meisterin des Multi-Tasking darf man jedoch in der neuen [ZDFneo](/company/zdfneo)-Serie „Queen of Fucking Everything“ beobachten – der Titel ist hier tatsächlich Programm.

Linda wird gleich zu Beginn der Serie von ihrem bisherigen Mann eiskalt abserviert: Wegen schlechter Geschäfte in seiner Firma überlässt er ihr plötzlich eine leere Wohnung und ein gebrochenes Herz. Das Einzige, was er ihr lässt, ist ein Schuldenberg von drei Millionen Euro, den sie nun irgendwie abtragen muss. Die Immobilienvermittlerin ist zunächst völlig auf sich allein gestellt und krebst mit extremen Finanzsorgen am Existenzminimum herum, während sie gleichzeitig versucht, auf der Arbeit den schönen Schein zu wahren. Zufällig trifft sie auf den Drogenbaron Börje, der sich Hals über Kopf in sie verliebt. Linda wittert eine Chance und versucht, Börjes Handlanger auszutricksen und sich an den Geschäften des Gangsterbosses zu bereichern – ohne dass er es in seiner Liebesduselei bemerkt. Gemeinsam mit ihrer quirligen Freundin Marke versucht sie, aus dem Nichts ein Immobiliengeschäft aufzuziehen, um das Drogengeld in saubere Währung zu verwandeln. Plötzlich jongliert Linda ihren Job als Maklerin, den besitzergreifenden Börje, das Immobilienprojekt, ihre Finanzsorgen und eine mögliche Beziehung mit dem treuen, alleinerziehenden Vater Heikki. Wer beim Lesen noch keinen Stress verspürt (den beneide ich sehr), kann sich an die Normalität bei „Queen of Fucking Everything“ gewöhnen.

![„Queen of Fucking Everything“ scheut sich nicht vor bizarren Konstellationen (Credit: ZDF)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/6acc2d1e-37ce-47cf-aa13-18d48a73c65f.jpg)

Die finnische Serie aus dem Hause Rabbit Films Production, entstanden im gemeinsamen Auftrag mit dem ZDF, schlägt ein hohes Tempo an. [Laura Malmivaara](/person/laura-malmivaara), die man unter anderem aus dem finnischen Original von [„FC Venus](/movie/fc-venus)“ kennt, trägt diese hektische Handlung mit Bravour. Ihre Figur bricht mehr als einmal, und doch vermittelt Malmivaara glaubwürdig, wie Linda sich immer wieder fängt, bis ihr die Aufgaben schließlich über den Kopf hinaus wachsen. Dieses Kunststück lässt sie mühelos erscheinen. Ein wahres Highlight ist neben Malmivaara ihr Co-Star [Kristo Salminen](/person/kristo-salminen), der den besagten Gangster Börje verkörpert. Er verleiht seiner Figur zunächst Witz und Charme – besonders, wenn der äußerlich schroff wirkende Hüne plötzlich beginnt, Shakespeare zu zitieren. Der Umschwung hin zu seinem zwanghaft-kontrollierenden Verhalten vollzieht sich so subtil, dass das Publikum im Verlauf der sechsteiligen Serie mehr als einmal überrascht wird.

Bei einer solchen Gangster-Aufstiegsgeschichte, die aus finanzieller Not heraus entsteht, liegt der Vergleich zu „[Breaking Bad](/tvshow/breaking-bad)“ natürlich nahe. Besonders der finanzielle Druck, der Linda gleichzeitig in die Kriminalität und zum Vertuschen zwingt, weist deutliche Parallelen zur US-Hitserie auf. An dieser Stelle enden die Gemeinsamkeiten jedoch, da die Diskurse eines Walter White über Familie und männliche Rollenbilder deutlich anders gelagert sind. Ein passenderes Vergleichswerk ist vielleicht „[Der schwarze Diamant](/movie/der-schwarze-diamant)“ der [Safdie](/person/joshua-safdie)-Brüder. Linda arbeitet sich – sobald ihre finanziellen Probleme gelöst scheinen – in einen regelrechten Erfolgswahn hinein. Eine Höher-Schneller-Weiter-Logik breitet sich aus. Sie kann der kapitalistischen Verwertungslogik bei gleichzeitigem endlosen Aufstiegsversprechen schlicht nicht entkommen. Hinzu kommt die rasante Geschwindigkeit, die „Queen of Fucking Everything“ anschlägt. Langeweile kommt dabei nie auf – ganz im Gegenteil. Die episodische Struktur tut der mitreißenden Handlung äußerst gut. Irgendwann muss man schließlich auch mal durchpusten.

![Linda (Laura Malmivaara, l.) bewegt sich in einer gefährlichen Welt (Credit: ZDF)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/82d90d41-31c7-4fed-a828-a656f2d9f526.jpg)

Eine große Stärke der Serie liegt darin, wie sie die Milieus außerhalb der finnischen Wohlstandsgesellschaft zeichnet. Auch wenn in Deutschland gerne neidisch auf die nordischen Sozialmodelle geblickt wird, gibt es selbst in den bestfunktionierenden Systemen Verlierer. Ob Einsamkeit, psychische Krankheit oder Alter – manche Menschen werden unweigerlich aus dem Hamsterrad geschleudert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Nebenfigur Lauri wird immer wieder gegen seinen Willen in Anzüge gepresst, mit denen Linda den sozialen Angstpatienten dazu zwingt, ihren Vorhaben Autorität zu verleihen. Die Anzüge sitzen schlecht, Lauri zieht sich in Meetings immer wieder aus. Den Habitus eines Superreichen kann man sich eben nicht einfach überziehen.

An dieser Stelle sollte klar sein: Diese soziale Achterbahnfahrt macht definitiv Spaß, nicht zuletzt wegen des überaus schwarzen Humors. Serienmacherin Tina Lymi geht nicht gerade zimperlich mit ihren Figuren um, was zu herrlich skurrilen, gut geschriebenen Szenarien führt. Geduld lohnt sich insbesondere bis zur zweiten Hälfte der Serie, wenn der Humor noch einmal deutlich anzieht.

Ein weiteres zentrales Thema ist, wie sich Linda durch klassische Männerdomänen navigiert. Auch hier spielt Habitus eine große Rolle: Sie zwingt sich dazu, männliche Ertragungsmechanismen – von Coping kann man hier wirklich nicht mehr sprechen – zu adaptieren, um ihre eigenen Gräueltaten vor sich selbst rechtfertigen zu können. Stets präsent bleibt: Ihre Handlungen entspringen selten einer inneren Motivation, sondern dem Druck verunsicherter Männerfiguren. Sie muss immer verfügbar, sexy, erfolgreich, konstant, zuverlässig usw. sein. Und das Schlimme ist: Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. „Queen of Fucking Everything“ zu sein bedeutet nicht nur, über allen Dingen zu stehen, sondern ständig alles zugleich beherrschen zu müssen. Auch eine Königin ist im feudalen Sinne dazu da, den Königen der Welt zu Diensten zu sein. Lindas Emanzipationsgeschichte bleibt daher bittersüß, denn die Frage, wofür sie all das tut, lässt sich nur kurz und trist beantworten: Sie will schlichtweg überleben.

*Damian Sprenger*

REVIEW TV/STREAMING: „Queen of Fucking Everything“